Bundesheer: Kein Platz für eine Frau?

Bundesheer Kein Platz fuer
Bundesheer Kein Platz fuer(c) APA GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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2013 wird abgestimmt, ob das Bundesheer ein Berufsheer wird. Auch für Frauen. Die dürfen zwar bereits seit 15 Jahren Dienst an der Waffe tun, doch bisher hält sich das Interesse in Grenzen.

Ein Dutzend junger Burschen steht in einer Reihe. Die Schuhe sind geputzt, das Gewehr ebenso, die Kopfbedeckung sitzt. Nur mit der Waffe umzugehen fällt den Grundwehrdienern schwer – sie sind erst seit wenigen Tagen hier im Jägerbataillon 18 in St. Michael in der Obersteiermark. „Sicherheit überprüfen!“, heißt diesmal das Kommando. Synchron schaffen sie das nicht. Also noch einmal – und noch einmal. Der Vorgesetzte hat (noch) Geduld.

Richtigerweise sollte man allerdings sagen: die Vorgesetzte, denn hier gibt eine Frau den Ton an. Die 28-jährige Bernadette Schrametei macht die Ausbildung zum Wachtmeister und bildet nebenbei selbst Grundwehrdiener aus. „Das beginnt damit, dass ich ihnen zeige, wie man das Gewand richtig in den Spind einräumt. Dann geht es auf den Berg und wir üben die verschiedenen Bewegungsarten, wie man sich dem Feind nähert.“ Also kriechend, bückend oder laufend.

Die Gruppe begleitet sie sechs Monate lang, vom Anfang bis zum Ende des Grundwehrdienstes. „Ich mache mit ihnen das komplette Programm durch.“ Die jungen Burschen folgen brav. Hatte sie als Frau jemals Autoritätsschwierigkeiten? „Bis jetzt nicht. Aber ich habe auch ein dementsprechendes Mundwerk“, lacht sie. Ohne ihren „Schmäh“ hätte sie es ohnehin nicht lange beim Heer ausgehalten, eine dicke Haut brauche man in jedem Fall. Und auch ihr Chef gibt später zu, dass sich der eine oder andere 18-Jährige doch nur ungern Befehle von einer Frau erteilen lässt.

Seit 1998 freiwillig Soldatin. Dabei feiert das Bundesheer im nächsten Jahr ein „weibliches“ Jubiläum: Dann ist es Frauen seit 15 Jahren gestattet, eine Karriere in Uniform zu machen. 1998 einigten sich der damalige Verteidigungsminister Werner Fasslabend und die ehemalige Frauenministerin Barbara Prammer auf die Änderung, im April rückten dann bereits die ersten freiwilligen Soldatinnen ein.

Auch 2013 könnte ein wichtiges Jahr für das Heer werden: Denn am 20. Jänner findet die Volksbefragung über die Zukunft des Militärs statt. Wird die allgemeine Wehrpflicht tatsächlich abgeschafft – wovon laut Umfragen allerdings wohl nicht auszugehen ist –, ist das Bundesheer in Zukunft nur noch auf freiwillige Meldungen und Berufssoldaten angewiesen. Die Zwangsrekrutierung der jungen Männer, also der Grundwehrdienst, würde wegfallen. Wie jeder andere Arbeitgeber müsste das Heer um Arbeitnehmer werben.

Das probiert man bereits seit über einem Jahrzehnt bei weiblichen Soldaten, die Generalprobe für das Berufsheer in Sachen Rekrutierung sozusagen. Allerdings mit bescheidenem Erfolg: Nur zwei Prozent der Uniformierten sind Frauen, und dieser Prozentsatz stagniert in den letzten Jahren.

Dass das Bundesheer auch für Frauen ein attraktiver Arbeitgeber ist, ist noch nicht wirklich in den Köpfen angekommen. Das gibt auch Thomas Mais zu, der Leiter des Heerespersonalamts. Er hat das Rekrutierungssystem mit aufgebaut und von Beginn an begleitet. „Wir haben 1998 beobachtet: Es war weniger das Bundesheer nicht reif für die Aufnahme von Soldatinnen, es war eher die Gesellschaft für das neue Rollenbild der Soldatin nicht bereit.“ Solange junge Frauen mit einem seiner Mitarbeiter gesprochen hätten, sei alles gut gewesen. Im privaten Umfeld sei dann aber die Ablehnung gekommen – und das hätte wiederum zu Rückziehern geführt. „Es ist aber auch ein Ost-West-Gefälle zu beobachten: Die Akzeptanz im Osten ist höher als im Westen“, erzählt er.

Also alles nur Schuld der (konservativen) Gesellschaft? Nein, auch in den einzelnen Bataillonen finden sich Verantwortliche, im positiven und auch im negativen Sinne: „Wir hatten Kommandanten, die sagten: ,Jetzt kommen Soldatinnen, das ist ordentlich durchzuführen und da will ich keine Klagen hören.‘“ Ihnen sei es ein Anliegen gewesen, dass sich die Frauen wohlfühlen und fair behandelt werden. „Das sind Vorreiterbataillone. Hier haben wir schon Frauen als Unteroffiziere, voll integriert.“ Andere Standorte seien weniger vorbildlich mit den Neuankömmlingen umgegangen, viele Soldatinnen hätten ihre Ausbildungszeit aus verschiedenen Gründen abgebrochen. Die Einstellung der Vorgesetzten spiele eine zentrale Rolle.

Ungerechtigkeiten beseitigt. „Wichtig war aber auch die Wehrrechtsänderung 2005”, sagt Mais. Vorher musste der Mann den Grundwehrdienst absolvieren und konnte erst dann eine Laufbahn beim Heer starten. „Die Frau hingegen ist sofort in den Ausbildungsdienst gekommen und hatte eine höhere Besoldung.“ Diese Ungerechtigkeit wurde ausgeräumt. Denn auch Männer können jetzt den Grundwehrdienst in eine Ausbildung integrieren. Seither laufe es etwas besser, die Frauen würden eher akzeptiert.

Dennoch ist die Bilanz überschaubar: 364 Soldatinnen arbeiten derzeit für das Heer (inklusive Leistungssportlerinnen), 82 davon sind im Ausbildungsdienst, fünf Frauen befinden sich im Auslandseinsatz. Für Mais ist das nicht genug: „Der Grundstein ist gelegt, aber das kann nicht die Endstation sein, ganz im Gegenteil.“ Deswegen schickt er seine Mitarbeiter auf Österreich-Tour: 173 Termine stehen 2013 auf dem Plan – vom Maturantentag an der Uni Klagenfurt bis hin zur Alpinmesse in Innsbruck. Dort sollen Frauen und Männer rekrutiert werden – der „Girls Day“ in Wien hingegen ist nur auf Mädchen ausgerichtet.


Warten auf die Volksbefragung.
Mit Spannung wird jedenfalls der Ausgang der Volksbefragung erwartet: „Wir werden erdrückt von der innenpolitischen Auseinandersetzung über die Wehrpflicht“, erzählt Mais. „Es ist derzeit eine ungute Situation, denn wir stehen mehr oder weniger im Mittelpunkt einer negativ behafteten Diskussion.“ Das sei ein Störfaktor.

Bis dahin wird allerdings fleißig weiterrekrutiert – oder zumindest versucht zu rekrutieren. Etwa bei einer Schülermesse in Graz. „Ein Karriereweg – viele Chancen“ steht neben dem kleinen Stand mit vier Mitarbeitern. Sie beantworten geduldig die Fragen der Schüler: Kann man sich hier für das Heer anmelden? Und Pilot werden? Meist wollen sie aber dann doch nur das Gewinnspiel ausfüllen: für ein Erlebniswochenende mit dem Bundesheer. Eingeladen wird jeder, denn gewinnen will damit das Heer, und zwar die Daten der jungen Männer und Frauen. Damit schicken sie ihnen Informationsmaterial zu, sobald sie ein geeignetes Alter erreichen.

Frauen nähern sich dem Stand allerdings nur wenige. Und wenn, dann sind es Mütter, die ihre Söhne für das Erlebniswochenende anmelden. „Oft trauen sich die jungen Frauen nicht“, meint ein Mitarbeiter. „Das hängt mit der Gruppendynamik zusammen – wenn eine aus ihrer Klasse nachfragt, machen das auch die anderen.“ An diesem Tag haben die Mitarbeiter nur wenig Glück bei den weiblichen Besuchern. Trotzdem haben sie viele Adressen für das Erlebniswochenende gesammelt. Wem es dort gefällt, wird zu einer Schnupperwoche eingeladen. Und anschließend kann sich, wer will, gemeinsam mit dem Heer auf die Eignungsprüfung vorbereiten.

Denn nicht nur der Quote wegen – auch aus ganz praktischen Gründen ist das Bundesheer auf der Suche nach weiblichen Uniformierten: „Beim Erdbeben in Afghanistan waren Frauen unter den Trümmern verschüttet. Weil aber großteils nur Männer bei den Rettungsmaßnahmen anwesend waren, haben sie sich teilweise gar nicht gemeldet. Denn Frauen dürfen nicht mit fremden Männern reden oder sich gar angreifen lassen. Das ist für sie ein schlimmeres Vergehen als der Tod“, erzählt Silvia Angerbauer, Milizsoldatin und Gleichbehandlungsbeauftragte des Bundesheeres. Weibliche Soldaten würden daher dringend gebraucht. Das Problem sei, dass sich das Militär in der Vergangenheit nicht als attraktiver Arbeitgeber habe positionieren müssen – es gab ohnehin die Grundwehrdiener. Eine Rekrutierungsschiene müsse erst langsam aufgebaut werden.

Ziel Auslandseinsatz. Katharina Pucher und Michaela Hoisel, beide 21, haben sich dennoch für einen Beruf als Soldatin entschieden. Wie auch Schrametei werden sie in St. Michael ausgebildet, eines der Vorbildbataillons, was die Integration von Frauen betrifft. Von den Grundwehrdienern würden sie aber trotzdem immer gefragt: „Ich werde dazu gezwungen und ihr macht's das freiwillig. Warum?“ Ihre Antwort: „Uns taugt's.“ Ihr Ziel ist es, ins Ausland zu gehen. Auch Freunde und Familie hätte ihre Entscheidung nicht gewundert. „Ich wollte schon als Kind entweder zum Heer oder zur Polizei“, erzählt Pucher. „Ein bisschen Action und das Gefährliche, das brauche ich einfach.“ Jetzt sei ihre Familie stolz.

Michaela Hoisels Vater hingegen sei vom Karrierewunsch seiner Tochter nicht gerade begeistert gewesen. „Aber mittlerweile hat er sich daran gewöhnt.“ Für „typische“ Frauen, da sind sich die beiden einig, sei die Ausbildung aber nichts. „Es würde sich nicht jede Frau eine Nacht in den Gatsch legen. Man muss von Anfang an ein bisschen anders sein, damit man zum Heer geht“, meint Hoisel lachend. „Eine Freundin hat mal zu mir gesagt: ,Du kannst doch nicht den ganzen Tag draußen sein, es ist nass und kalt.‘“ Hoisel antwortete darauf: „Ja, ist es. Aber das ist mir egal.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)

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