Friede allen Nikoläusen, und allen Osterhasen auch!

Vor dem Weihnachtspunsch krame ich mein Kripplein hervor: Dem Stern von Bethlehem würde ein wenig Goldstaub guttun.

Man kann sich natürlich über alles lustig machen! So die schnörkellose Kritik der Weihnachtsmännergewerkschaft an meiner letztwöchigen Adventbesinnung. Begründung: Ich hätte mich über den arbeitslosen Nikolaus Claus, der im Übrigen den Kursdiplomtitel „Happy Santa Claus“ trage, lustig gemacht. Warum? Herzloserweise deshalb, weil Claus zur Verbesserung seiner Chancen auf dem angespannten Nikolausarbeitsmarkt erst jüngst den Weihnachtsmännerkeksbackkurs für fortgeschrittene Wiedereingliederungswillige absolvierte, während ich, ein beamteter Philosoph, wohlverstaut in meiner warmen Pragmatisiertennische, aus reinem Keksbackspaß den Männerweihnachtskeksbackkurs besuchte.

Was soll ich dem entgegnen? Bitte, ich habe mich mittlerweile mit Claus, der es im Übrigen hasst, „Happy Santa Claus“ tituliert zu werden, angefreundet. Dies entgegnend werde ich von der Weihnachtsmännergewerkschaft barsch abgefertigt: Es ginge hier darum, dass ich das „berufsspezifische Lachen des gesamten Nikolausstandes“, nämlich „Hohohooo!“, unter Hinweis auf die prekäre Arbeitssituation meines angeblich neuen Freundes – der sich bereits auf Dutzende berufsfremder Stellen, darunter Ostereieranmalen, ja Ostereierlegen, vergeblich bewarb – als das „Mörderlachen der geschundenen Kreatur“ verunglimpft hätte.

Grund des standesgemäßen Lachens von Claus sei indessen meine scherzhaft gemeinte, in Wahrheit jedoch dümmliche und herabwürdigende Bemerkung gewesen, dass, unter Ergreifung geeigneter Umschulungsmaßnahmen, aus echten Nikoläusen respektable Osterhasen werden könnten. Echte Nikoläuse, so die Weihnachtsmännergewerkschaft regelrecht ontologisch, seien wesensmäßig keine Osterhasen, obwohl auch deren Job – das stumpfsinnige Bemalen, wenn nicht gar beschäftigungsfremde Legen von Ostereiern am Fließband – an Ausbeutung grenze.

Außerdem habe Claus ein hohes Arbeitsethos bewiesen, indem er, einst ein hoch qualifizierter Nikolo-Designer in einer Schokoladenfabrik, sich standhaft geweigert hatte, und zwar „im Namen der geschundenen Kreatur“, Schoko-Nikoläuse zu designen, die, bevor sie zu unverkäuflichen Ladenhütern degenerierten, in neuer Stanniolverkleidung hätten auf den Markt gebracht werden sollen: als Osterhasen! Im Namen der turbokapitalistischen Geschäftsführung wurde Claus zynisch nahegelegt, sich fortan höchstpersönlich um die geschundene Kreatur zu kümmern– als echter Nikolaus!

Was soll ich dem entgegnen? Am besten nichts, bin ich doch damit beschäftigt, meine Weihnachtskeksteller mit Cranberry-Zimt-Streifen und Mandel-Amaretto-Makronen festlich zu belegen. Anschließend will ich mein Weihnachtskripplein hervorkramen, um das Jesuskind, Maria und Josef, Ochs und Esel und die drei Weisen aus dem Morgenland abzustauben, nicht zu vergessen den Stern von Bethlehem. Denn für den Heiligen Abend habe ich meinen neuen Freund in meine bescheidene Beamtenwohnung zum Weihnachtspunsch samt Keksverkostung eingeladen.

Auch wenn unsere turbokapitalistische Welt, mit Leibniz gesprochen, nicht die beste aller möglichen Nikolauswelten sein sollte, so existiert – das steht fest – ein Weihnachtspunschwunder. Es gründet darin, dass, nach dem Genuss einer hinreichenden Anzahl dampfender Punschbecher, aus Nikoläusen, „Hohohooo!“, Osterhasen zu werden beginnen, et vice versa... In diesem Weihnachtspunschwundersinne: Friede aller Kreatur auf Erden, allen Nikoläusen, und allen Osterhasen auch!


E-Mails an: peter.strasser@uni-graz.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.12.2012)

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