Mehr Frauen, mehr Katholiken, mehr Vielfalt

Tammy Baldwin
Tammy Baldwin AP
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Die neuen Senatoren und Abgeordneten in Washington entsprechen Amerikas bunter Gesellschaft mehr als ihre Vorgänger: hinsichtlich des Glaubens, des Geschlechts und der Herkunft.

Eine mehrfach amputierte, frühere Kampfhubschrauberpilotin, in Bangkok geboren, eine vegetarische Hinduistin aus Hawaii, für ihren Kampfeinsatz im Irak hochdekoriert, eine in Japan geborene Buddhistin, die erste lesbische Senatorin, der erste bekennende homosexuelle Schwarze: Sie alle gehören dem 113. Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika an, der heute, Donnerstag, erstmals zusammentritt.

Der Blick von außen auf dieses amerikanische Parlament war in den vergangenen Jahren von der Sorge um die wachsende weltanschauliche Kluft zwischen Demokraten und Republikanern geprägt. Ob die weltgrößte Volkswirtschaft und Militärmacht angesichts des gegenseitigen Misstrauens in Kongress und Abgeordnetenhaus noch regierbar ist, wird auch in den vier Jahren der zweiten Amtszeit Barack Obamas die wichtigste Frage sein.

Doch ebenso wie der erste schwarze Präsident den gesellschaftlichen Wandel Amerikas verkörpert, ist auch der Kongress ein Spiegelbild der wachsenden sozialen, religiösen und ethnischen Vielfalt der Bürger, die ihn gewählt haben.

Abstieg der Protestanten

Eine Analyse des Pew Research Center zeigt, wie stark sich der Kongress in religiöser Hinsicht allein in den letzten fünf Jahrzehnten geändert hat.

Die verschiedenen protestantischen Kirchen stellen zwar mit 56,4 Prozent der 535 Senatoren und Abgeordneten noch immer die Mehrheit aller Mandatare. Doch sie sind auf dem absteigenden Ast: Im Jahr 1961 hatten sich noch 74,8 Prozent aller Kongressmitglieder als Protestanten erklärt.

Dafür ist in der Zwischenzeit der Anteil der Katholiken auf dem Washingtoner Kapitolshügel stark gestiegen. Sie stellen jetzt mehr als 30 Prozent des Kongresses – ein Rekord. 1961 waren weniger als 19 Prozent der Kongressmitglieder katholisch.

Mehr als verdoppelt hat sich seit damals die Zahl der Mormonen (von 1,3 auf 2,8 Prozent), beinahe verdreifacht jene der Juden (von 2,3 auf sechs Prozent). Allerdings haben bei den jüngsten Wahlen zahlreiche jüdische Mandatare die Wiederwahl verpasst. Die meisten Juden saßen im vorletzten Kongress von 2009 bis 2010 in den beiden Kammern.

Protestanten, Katholiken und Juden dominieren also das wichtigste Gesetzgebungsorgan der USA. Sie sind aber, trotz der geschilderten Verschiebungen, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung noch immer deutlich übervertreten. Gründe dafür geben die Forscher des Pew Research Center nicht an. Eine Rolle spielt sicher der Umstand, dass dies die drei am längsten in den USA ansässigen Glaubensgemeinschaften mit dem daraus folgenden höchsten Grad der politischen Organisation sind.

Am deutlichsten weicht der neue Kongress bei den Konfessionslosen, Atheisten und Agnostikern vom amerikanischen Volk ab. Rund ein Fünftel der US-Bürger erklärte im Herbst in einer Pew-Umfrage, keiner Konfession anzugehören oder überhaupt atheistisch zu sein. Doch bei der Befragung der neuen Mandatare erklärte nur die Demokratin Kyrsten Sinema aus Arizona, keiner Konfession anzugehören. Von kirchenkritischen Gruppen schnell zur „ersten Atheistin am Kapitol“ gemacht, beeilte sie sich schnell um Relativierung: Sie pflege gute Beziehungen zu allen Glaubensgruppen, sei keine Atheistin, bevorzuge aber einen „säkularen Zugang“.

Frauen auf dem Vormarsch

Zweifellos hingegen ist der Vormarsch der Frauen in Senat und Abgeordnetenhaus. 101 Sitze nehmen sie nun ein – so viele wie noch nie. Und einige von ihnen weisen, wie eingangs aufgelistet, auch in anderer Hinsicht bemerkenswerte Biografien auf. Die Demokratin Tammy Duckworth aus Illinois verlor ihr rechtes Bein und ihren linken Unterschenkel, als ihr Black-Hawk-Kampfhubschrauber 2004 von irakischen Aufständischen abgeschossen wurde. Sie wurde dafür mit dem Purple Heart ausgezeichnet und ist die erste kriegsversehrte Invalidin, die im amerikanischen Parlament sitzt. Ihre Parteikollegin Tulsi Gabbard aus Hawaii hat sich ebenfalls militärische Ehren im Irak-Krieg verdient und ist die erste Hinduistin auf dem Kapitol. Sie folgt im Abgeordnetenhaus Mazie Hirono, die in Japan geboren wurde und nun als erste Buddhistin in den Senat einzieht – während Tammy Baldwin, ebenfalls Demokratin, die erste bekennende Lesbe im Senat ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2013)

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