„Religiöse Extremisten brauchen uns nicht als Vorwand“

Stéphane Charbonnier
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„Charlie Hebdo“-Chef Stéphane Charbonnier legt sich bevorzugt mit katholischen und islamischen Eiferern an.

Paris/Dpa. Stéphane Charbonnier kann austeilen. Vor allem, wenn er unter „Charb“ schreibt. Doch der Herausgeber, verantwortliche Redakteur und Zeichner des französischen Satireblatts „Charlie Hebdo“ muss auch einstecken: Egal, ob Gegner ihn in einen Schwulenporno montieren oder ihn vor Gericht zerren.

Kritik bis hin zu gewalttätigen Übergriffen ist dem Satiriker nicht unbekannt. Die Karriere des 45-Jährigen ist voller Angriffe. Ein Grund dafür ist immer wieder die Feder von Charb. Seine Karikaturen können hart sein, die Zeichnungen wirken derb. Charb setzt kräftige Farben ein, seine Figuren sind sehr grob gezeichnet, haben fast immer giftgelbe Haut mit picklig wirkenden Punkten auf hässlichen Knollennasen. Auffällig große weiße Augen unterstreichen die unsympathische Wirkung der kleinen Männchen.

Wenig Freunde macht Charbonnier sich bei seinem Umgang mit dem Propheten Mohammed. Im November 2011 wurde die Redaktion Ziel eines Anschlags, nachdem eine „Scharia“-Sonderausgabe mit einem „Chefredakteur Mohammed“ veröffentlicht worden war. Die Räume gingen in Flammen auf. Doch Charb zielt auch auf andere Religionen: „Bei Charlie beschäftigen wir uns meist mit der katholischen Kirche – das ist immer noch die Mehrheit“, sagte Charbonnier.

Äußerlich wirkt Charbonnier gelassen. Beim Mohammed-Streit im September erwartete er den absehbaren Aufruhr unrasiert und im Ringel-T-Shirt. Auch diesmal streifte er für Fotos zur Sonderausgabe nur ein Shirt über. Seine Zeichnungen würden diejenigen schockieren, die schockiert sein wollten. In einem Editorial schrieb er dazu: „Malst Du einen glorreichen Mohammed, stirbst Du, zeichnest Du ihn lustig, stirbst Du.“ Charb und „Charlie Hebdo“ wollen sich treu bleiben: „Mit diesen Faschisten gibt es nichts zu verhandeln. Charbonnier glaubt nicht an die „Öl ins Feuer“-Theorie: „Religiöse Extremisten warten nicht auf uns, um gewalttätig zu sein. Sie brauchen uns nicht als Vorwand.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2013)

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