„Charlie Hebdo“: Karikaturen, Klagen und Molotowcocktails

„Charlie Hebdo“
„Charlie Hebdo“(c) EPA (YOAN VALAT)
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Das im Jahr 1970 gegründete französische Satiremagazin hat die Provokation zur Kunst erhoben.

Paris. Zum dritten Male bereits erregt „Charlie Hebdo“ mit Mohammed-Karikaturen Anstoß. Die satirische Provokation gehört zum Konzept und zur Geschichte dieser jeden Mittwoch in Farbdruck zum Preis von 2,50 Euro erscheinenden Wochenzeitung, in der mehr oder weniger lustige, hämische, subversive, spöttische und vor allem deftige Zeichnungen dominieren. Inhaltlich ist das wöchentlich erscheinende Heft am ehesten mit dem deutschen Satiremagazin „Titanic“ vergleichbar.

Das satirische Blatt ist ein Kind der sexuellen Revolution der Sechzigerjahre. Sein Vorgänger hieß „Hara-Kiri“ und beging wegen eines sehr respektlosen Titelblatts zum Ableben von General de Gaulle tatsächlich einen verlegerischen Selbstmord. „Hara-Kiri“ konnte nach dem Skandal und einem behördlichen Erscheinungsverbot 1970 nur in anderer Form und unter dem neuen Namen „Charlie Hebdo“ publiziert werden.

Im Verlauf der Jahre gab der Gründer François Cavanna die Führung an Philippe Val ab, und nach dessen Ernennung zum Radiodirektor wurde Stéphane Charbonnier, besser bekannt unter dem Kurznamen Charb, Redaktionsleiter. In der Liste der Mitarbeiter finden sich viele von Frankreichs bekanntesten Karikaturisten, in der Redaktion sind rund 20 Mitarbeiter beschäftigt. Das Ziel der Attacken: Mächtige aus Politik und Wirtschaft genauso wie Sekten, Rechtsextreme oder religiöse Eiferer.

Interne Streitigkeiten

Oft gab es aber auch interne Streitigkeiten und Rivalitäten. Einer der Stars, der Zeichner Siné, wurde wegen angeblich tendenziell antisemitischer Karikaturen entlassen. Klagen und Proteste gab es auch sonst immer wieder. Das steigerte auch den Verkauf.

Einen Höhepunkt erreichte der Absatz im Jahr 2006. Normalerweise wurden pro Nummer 140.000 bis 160.000 Exemplare an eine vorwiegend jüngere und städtische Leserschaft abgesetzt. Einen Rekord gab es in diesem Jahr mit 400.000 verkauften Zeitungen bei der Publikation der Mohammed-Karikaturen der dänischen Zeitung „Jyllands Posten“, was „Charlie Hebdo“ anscheinend auf Ideen brachte. Unter anderem hatte das Blatt zum Wahlerfolg der Islamisten in Tunesien eine Sonderausgabe mit dem Titel „Charia Hebdo“ herausgebracht.

Verunglimpfung des Propheten

Eine Klage islamischer Organisationen in Frankreich gegen „Charlie Hebdo“ wegen Verunglimpfung des Propheten wurde von einem Gericht abgewiesen. Im November 2011 warfen Unbekannte des Nachts einen Molotowcocktail in die Räumlichkeiten der Redaktion, die vom anschließenden Brand verwüstet wurden. Der Sitz der Redaktion, die wegen des Angriffs zum Symbol der Verteidigung der Pressefreiheit wurde, musste verlegt werden.

Das zwischen Ende 1981 und 1992 wegen Geldmangels vorübergehend eingestellte Blatt muss sich auch regelmäßig vor Gericht verantworten. So gab es unter anderem Klagen nach einer bitterbösen Papst-Sonderausgabe.

Heute hat die Zeitung eine Auflage von ca. 70.000 Exemplaren. „Charlie Hebdo“ erscheint auf Zeitungspapier, die aktuelle Ausgabe umfasst 16 Seiten, für die Sonderausgabe im DIN-A4-Format wurden etwa 80.000 Hefte gedruckt.

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("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2013)

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