Wulff-Scheidung: Eine deutsche Staatsaffäre

(c) REUTERS (FABRIZIO BENSCH)
  • Drucken

Deutschland. Keine Scheidung wie jede andere: Ex-Bundespräsident Christian Wulff und seine Ehefrau Bettina gehen fast ein Jahr nach seinem erzwungenem Rücktritt getrennte Wege.

Montagmorgen in Hannover. Vor einem Rechtsanwalt hat ein Paar eine Trennungsvereinbarung unterschrieben: Herr Christian und Frau Bettina Wulff leben fortan nicht mehr unter einem Dach. Herr Christian, 53 Jahre alt, von Beruf Expräsident, ist bereits am Wochenende in eine Mietwohnung in die Stadt gezogen. Frau Bettina, 39 Jahre alt und selbstständige PR-Beraterin, bleibt vorerst im Klinkerhäuschen im Vorort Großburgwedel – schon der beiden kleineren Kinder wegen, die hier in Kindergarten und Schule gehen.

Eine Kurzmeldung für die Rubrik Vermischtes in der Lokalzeitung? Nein, immer noch und immer wieder: eine deutsche Staatsaffäre. Nicht nur, weil Christian Wulff vor einem Jahr noch das höchste Amt im Staate innehatte. Nicht nur, weil er am 17. Februar 2012 zurücktreten musste, nach einer monatelangen medialen Schlammschlacht um allzu günstige Hauskredite und Gratisurlaube bei befreundeten Unternehmern. Nicht nur, weil Staatsanwälte bis heute gegen den früheren CDU-Ministerpräsidenten von Niedersachsen wegen Verdachts der Vorteilsannahme ermitteln. Das alles macht aus einer gescheiterten Ehe noch kein öffentliches Ereignis – hätten nicht die Wulffs ihre Ehe von Beginn an voll in die Öffentlichkeit getragen.

Die Liaison des konservativen, geschiedenen Politikers und seiner schönen, flotten, zweiten Frau wurde seit ihrem Start 2006 als Politromanze für die „Bild“-Zeitung zelebriert. Im Scheinwerferlicht der Boulevardmedien stiegen die beiden gemeinsam hoch, vom Klinkerhäuschen ins Schloss Bellevue, und sie fielen gemeinsam tief.

Bettina Wulffs indiskrete Biografie

Doch während sich der Ex-Präsident nach seinem Rücktritt fast ganz zurückzog, machte seine Frau nun erst recht von sich reden. Um sich ein für alle Mal von haltlosen Gerüchten über eine angebliche Vergangenheit im Rotlichtmilieu zu befreien, schrieb sie mit naiver Offenherzigkeit eine Biografie. „Jenseits des Protokolls“ erfuhren die Leser alles, was sie über das Privatleben der Ex-First-Lady gar nicht so genau wissen wollten – auch über ihre Ehe.

Er kann das alles nicht gern gelesen haben. Sie klagte etwa, dass ihr Mann im Kampf ums Amt „gar nicht sah, wie sehr die Situation unser gesamtes Familienleben belastete“, wie sehr er sich „selbst im Weg“ stand. Sie warf ihm, ganz PR-Expertin, seine Patzer im Krisenmanagement vor: „Statt peu à peu auf die Vorwürfe zu reagieren“, wäre es sinnvoller gewesen, „sich einmal umfassend zu erklären“.

Ein „riesengroßer Fehler“ sei es gewesen, Drohungen auf die Mailbox des „Bild“-Chefredakteurs zu sprechen. Sie hätte bereits „früher das Handtuch geworfen“ und die Rücktrittsrede „so kurz wie möglich gehalten“. Überhaupt wollte sie sich nicht mehr „als untrennbares Doppelpack über einen Kamm scheren lassen“, weil es sich „in einer Beziehung rächt“, die „eigenen Bedürfnisse komplett zu übergehen“.

Während der Rücktrittszeremonie stellte sie sich „ganz bewusst ein Stück weit entfernt von Christian, um so zu zeigen: Ich bin eine eigenständige, selbstständige Frau.“ Und nach vollbrachter Tat wolle sie sich „endlich einmal“ um ihren „eigenen Kern“, ihre „Träume und Wünsche“ kümmern.

Therapie bei Eheproblemen

Das gefiel der feministischen Publizistin Alice Schwarzer, die in der „indiskreten Plapperei“ „immerhin neue Töne in Deutschland“ ausmachte. Die meisten aber deuteten den Seelenstrip als Protokoll einer Entfremdung. Bettina Wulff feuerte solche Spekulationen an: In einem der vielen Interviews zum Verkaufsstart sprach sie freimütig von Eheproblemen, die beide mithilfe eines Therapeuten lösen wollten. Vielleicht waren sie nicht mehr lösbar. Vielleicht war ihr Mann auch nur die fortgesetzten Indiskretionen seiner Gattin leid.

Aber das ist nun wirklich ein privates Thema der Wulffs. Es sei denn, es folgt der Biografie zweiter Teil. Oder Christian Wulff schreibt nun seine Memoiren.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Film

Beginn der Dreharbeiten zu "Guttenberg"-Film

"Der Minister" thematisiert satirisch die Plagiatsaffäre um die Doktorarbeit des ehemaligen Verteidigungsministers. Ursprünglich hätte Jan Josef Liefers die Titelrolle spielen sollen.
Außenpolitik

Bettina Wulffs Biografie: Ehre retten und Kohle machen

Ex-First-Lady Wulff räumt in Buchform mit bösen Gerüchten auf. Klagen und Buch sollen falschen Gerüchten über eine Rotlichtvergangenheit ein Ende setzen. Was geht in dieser Frau vor?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.