"Anschlag auf Familie": Widerstand gegen Homo-Ehe wächst

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In Frankreich sollen die Abgeordneten das Recht gleichgeschlechtlicher Paare auf zivile Trauung absegnen. Der Streit eskaliert, Paris erwartet eine Großdemo mit mehr als 500.000 Menschen gegen die Liberalisierung.

In Frankreich schaukelt sich der seit Monaten schwelende Konflikt um die Legalisierung der Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen („Homo-Ehe“) auf: Am Sonntag soll in Paris eine Großdemonstration gegen die Homo-Ehe stattfinden, zu der angeblich mehr als 500.000 Menschen erwartet werden. Zahlreiche kirchennahe Medien riefen Christen aus allen Landesteilen zur Teilnahme an der Demo auf.

Bereits im November hatten Hunderttausende gegen die Legalisierung demonstriert. Frankreichs Ministerrat hatte im November einen Gesetzentwurf zur Einführung gleichgeschlechtlicher Ehen und Adoption durch homosexuelle Paare verabschiedet. Die Nationalversammlung befasst sich demnächst damit, die Neuregelungen sollen nach dem Willen von Staatspräsident François Hollande bis zum Sommer in Kraft treten.

Bei dem Konflikt geht es auf beiden Seiten um Grundsätzliches. Für die Gegner der Liberalisierung stehen die traditionelle Familie, das Recht der Kinder auf Vater und Mutter und somit die Definition der Elternschaft im Zivilgesetzbuch (wenn nicht sogar die Zukunft der Menschheit) auf dem Spiel. Für die Gegenseite ist das „Recht auf Ehe für alle“ ein klarer Fall einer Gleichberechtigung, die verwirklicht werden müsse.

Überzogene Forderungen

Ein Kompromiss ist kaum möglich. Im Gegenteil, es eskaliert die Polemik: Die Befürworter wollen schon weitergehen und fordern auch gleiche Rechte bei Adoption und medizinisch unterstützter Fortpflanzung. Das allein sind schon umstrittene Themen, die in Frankreichs Gesellschaft und Fachkreisen ethische Grundsatzfragen aufwerfen. Die Bischöfe sind natürlich, mit Unterstützung von Papst Benedikt XVI., gegen die Homo-Ehe; für sie geht es auch um die Autorität der Kirche, die in den letzten Jahrzehnten in Frankreich stark an Einfluss verloren hat.

Das wieder stachelt die Befürworter einer strikten Trennung von Kirche und Staat auf, die sich diese „Einmischung“ in Agenden der Republik verbeten haben wollen. Beidseitig gießen Extremisten Öl ins Feuer, im Lager der Homo-Ehe-Befürworter durch antiklerikale Parolen und überzogene Zusatzforderungen, auf der Gegenseite durch übertriebene Warnungen vor dem Ende der Zivilisation oder homophobe Entgleisungen.

Zuletzt wurde die Debatte auch durch Unterrichtsminister Vincent Peillon angeheizt: Er rief in einem Rundschreiben die etwa 8500 Direktoren religiöser Privatschulen in der Frage der Homo-Ehe zu Zurückhaltung und Neutralität auf – das wird ihm von der konservativen Opposition als Zensur und Provokation ausgelegt. Die meisten dieser Privatschulen, deren Lehrer vom Staat bezahlt werden, sind vertraglich verpflichtet, denselben Lehrplan einzuhalten wie öffentliche Schulen. Peillon hatte freilich verärgert, dass einige Schulen Propaganda gegen die Homo-Ehe an die Eltern verschickt oder sonst dagegen interveniert hatten.

„Tiefe Unwahrheit der Gender-Theorie“

Benedikt XVI. hatte zu Weihnachten betont, dass die Homo-Ehe ein „echter Anschlag auf die Familie“ sei. Ihr liege als „falsches Fundament“ die Gender-Theorie zugrunde, deren „tiefe Unwahrheit“ offenkundig sei. Und wenn die Feministin und Autorin Simone de Beauvoir (1908–86) erklärt habe, „man wird nicht als Frau geboren, sondern man wird zu einer“, dann stelle dies eine „Leugnung der im göttlichen Schöpfungsplan verankerten geschlechtsmäßigen Vorprägung“ dar.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2013)

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