Schützt die Asylwerber! Schützt sie vor den Kirchenbesetzern!

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Weihnachten war gestern. Die Besetzer der Votivkirche sind offenbar geblieben, um zu bleiben. Ihre Forderungen sind gelinde gesagt bizarr und völlig unerfüllbar.

Michael Landau in der Kategorie Verbalrabauke mit Hang zur Xenophobie zu schubladisieren wäre vielleicht dann doch unglaubwürdig. Der Wiener-Caritas-Chef also hat schon vor Weihnachten knapp nach Beginn der Besetzung der Wiener Votivkirche darauf hingewiesen, dass die Gefahr politischer Instrumentalisierung der Anliegen der Aktivisten bestehe. Dass – bitte nicht schrecken – politische Chaoten den Kampf um ein Aufenthaltsrecht in Österreich für ihre Zwecke missbrauchen. Weihnachten mit einer nicht selten falsch verstandenen Herbergssucheromantik war gestern. Heute muss nüchtern betrachtet festgehalten werden: Michael Landau hat recht behalten. Mehr, als ihm lieb sein kann.

Ungefähr drei Dutzend Menschen, drei Dutzend Nichtösterreicher, halten die Votivkirche seit drei Wochen besetzt. Bei der korrekten Bezeichnung der Aktivisten beginnt schon das Problem. Der meist unbedacht, manchmal mit Bedacht missbrauchte Begriff Flüchtling liegt deutlich neben der Realität, ist also daneben und spricht allen Hohn, die sich laut Genfer Flüchtlingskonvention tatsächlich so nennen dürfen. Genauso falsch ist der generalisierend verwendete Begriff Asylwerber. Denn – was gern aus leicht durchschaubaren Gründen verschwiegen wird – unter den Kirchenbesetzern finden sich sehr wohl auch Personen, die zwar über Asylwerbererfahrung verfügen. Das heißt: Sie waren Asylwerber. Und sind mittlerweile im Besitz eines ablehnenden Bescheids, teilweise nach erfolglosem Kampf bis zur letzten Instanz.

Dass sie trotzdem gern hier in Österreich leben wollen, mag aus deren subjektiver Sicht durchaus verständlich sein. Objektiv betrachtet lehrt aber die Erfahrung, dass Zusammenleben eher schwierig funktioniert, wenn man annimmt, die subjektiven Bedürfnisse aller könnten zu jeder Zeit an jedem Ort verwirklicht werden. Schräg, Derartiges überhaupt betonen zu müssen. Doch die Forderungen der Kirchenbesetzer und Beiträge in der öffentlichen Debatte weisen auf besorgniserregende Defizite hinsichtlich Kenntnis und Akzeptierens der Regeln eines Staates hin, der ja gerade zum Schutz von Menschen, die der Einfachheit halber gern als Schwächere bezeichnet werden, ein Rechtsstaat ist. Die offenbar von politischen Irrlichtern mitformulierte Forderungsliste ist über weite Strecken im besten Fall bizarr. Jedenfalls ärgerlich und in keinem Fall erfüllbar. Beispiele gefällig? Eine unabhängige Instanz soll alle Asylverfahren prüfen, heißt es. Noch nie etwas von unabhängiger Justiz, von unabhängigen Höchstgerichten gehört? Auch wirtschaftliche Gründe sollten als Asylgrund anerkannt werden. Die gespeicherten Fingerabdrücke zum Verhindern eines Asylwerbertourismus in der EU sollten gelöscht werden. Wie gesagt, unerfüllbar. Nicht einmal diskutabel unter den Rahmenbedingungen einer Kirchenbesetzung. Ein Staat, der ernst genommen werden will, darf sich nicht erpressen lassen. Auch nicht von Kirchenbesetzern.

Besonders schwierig stellt sich die Lage für die katholische Kirche dar. Michael Landau, die Caritas, die Kirche insgesamt sehen sich in eine Art Geiselhaft genommen. Die christliche Sendung, zur Hilfe an allen in Not Geratenen verpflichtet zu sein, unabhängig davon, weshalb sie (verschuldet?) in Not geraten sind, hat sogar Kardinal Christoph Schönborn dazu bewogen, den Aktivisten eine Visite abzustatten. Mehr, als zu sagen, nicht helfen zu können, die Kirchenbesetzer sollten (endlich) angebotene Quartiere akzeptieren, war nicht. Wie denn auch? Was genau Othmar Karas gedrängt hat, am Tag der Heiligen Drei Könige den Kirchenbesetzern einen Besuch abzustatten, darüber rätselt Michael Spindelegger noch.

Um keine Missverständnisse möglich zu machen (absichtliche Fehlinterpretationen lassen sich nie vermeiden): Asylwerber – natürlich genauso wie nach rechtsstaatlichem Verfahren anerkannte Flüchtlinge – bedürfen der Unterstützung der Gesellschaft. Sie müssen unterstützt und geschützt werden. Auch vor ausländerfeindlich tickenden Politikern. Und manchmal eben auch vor auf den ersten, durch politische Naivität getrübten Blick vermeintlich Wohlwollenden. Schützt die Asylwerber vor den Kirchenbesetzern!

E-Mails an: dietmar.neuwirth@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2013)

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