Betteln: Was ist verboten? Was ist erlaubt?

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Das Verfassungsgericht hebt das steirische Bettelverbot auf, weil es das Betteln zu stark einschränkt - stilles Betteln müsse erlaubt sein. In Wien, wo die Regelung nicht gekippt wurde, gab es im Vorjahr 1458 Anzeigen.

Wien. Das Bettelverbot in der Steiermark ist rechtswidrig. Das gab der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am Donnerstag bekannt. Die Entscheidung ist ein vorläufiger Schlussstrich unter eine Reihe von Urteilen, die es zu Bettelverboten in fünf Bundesländern zu fällen galt. „Die Presse“ hat untersucht, welche Einschränkungen des Bettelns rechtlich möglich sind und was Bettelverbote bringen.

1 Ist es nach den VfGH-Urteilen nun überhaupt noch möglich, Bettelverbote zu erlassen?

Ja. Das Höchstgericht hat festgestellt, dass es den Bundesländern erlaubt ist, Bettelverbote zu erlassen. Allerdings darf das Betteln nicht völlig verboten werden. So ist es etwa nicht möglich, auch das stille Betteln zu untersagen. Dies sah die aufgehobene Salzburger Regelung vor, weil es das Betteln ganz verbot und es nicht einmal mehr erlaubt war, ruhig auf der Straße zu sitzen und per Handaufhalten um milde Gaben zu bitten.

In der Steiermark legte man ein absolutes Bettelverbot fest, erklärte aber, dass Gemeinden „Erlaubniszonen“ einführen können, in denen Betteln gestattet bleibt. Diese Regelung sei aber ebenfalls rechtswidrig, sagt der VfGH. Denn die Gemeinden können zwar Erlaubniszonen einrichten – sie müssen aber nicht. Damit ist das Bettelverbot aber wieder ein absolutes.

2 In welchen Bundesländern gibt es Bettelverbote und wie sehen diese nach den Urteilen aus?

Die Bettelverbote in Oberösterreich, Kärnten und Wien hielten im Vorjahr vor dem VfGH, weil sie bloß bestimmte Erscheinungsformen des Bettelns untersagen. Alle Länder haben unterschiedliche Gesetze und Definitionen geschrieben. Sie alle lassen aber die Möglichkeit des stillen Bettelns offen. Untersagt sind in den diversen Landesgesetzen zum Beispiel aggressives Betteln, Betteln mit Kindern oder gewerbsmäßiges Betteln. Alle diese Dinge dürfe man auch verbieten, sagt der VfGH.

In Salzburg verabschiedete man, nachdem das absolute Verbot vom VfGH gekippt worden war, eine neue Regelung. Auch in Salzburg ist nun nicht jegliches Betteln verboten, sehr wohl aber aufdringliches oder aggressives Betteln und der Einsatz von unter 14-jährigen Kindern. Eine ähnliche Regelung gilt nach der jetzigen VfGH-Entscheidung auch in der Steiermark. Denn das aktuelle Urteil sorgt dafür, dass das alte steirische Gesetz wieder auflebt, das nur bestimmte Arten des Bettelns verbietet.

Bettelverbote gibt es unabhängig von den jüngsten VfGH-Urteilen auch in Tirol, Niederösterreich und Vorarlberg. Im Ländle gilt (noch) ein absolutes Bettelverbot. Vorarlberg will deswegen sein Gesetz reformieren, um etwaigen Rechtsstreit zu vermeiden. Im Burgenland gibt es kein Landesgesetz gegen Betteln.

3 Warum darf man das Betteln nicht generell verbieten?

Der VfGH verweist auf die Europäische Menschenrechtskonvention. Darin steht das Recht auf Meinungsäußerung und aus diesem Recht lässt sich auch die Befugnis, um milde Gaben zu bitten, ableiten. Stilles Betteln „an öffentlichen Orten ausnahmslos zu verbieten, ist in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig“, betonen die Höchstrichter.

4 Wie wird das Bettelverbot in Wien exekutiert?

In Wien wird zwischen verschiedenen Arten von Bettelei unterschieden: Verboten sind aggressives, gewerbsmäßiges und organisiertes Betteln sowie Betteln mit Kindern bis 14 Jahre (Definitionen siehe unten). Im vergangenen Jahr gab es in der Bundeshauptstadt 1458 Anzeigen wegen Bettelei, wobei sich 836 Anzeigen auf aufdringliche, 132 auf aggressive, 453 auf gewerbsmäßige und 29 auf organisierte Bettelei bezogen. Des Weiteren gab es acht Anzeigen wegen Bettelei mit Kindern. Seit Einführung des Verbots sind die Anzeigen deutlich gestiegen. Laut Polizeisprecher Roman Hahslinger ist dabei kein Fall aufgetaucht, bei dem eine ganze Bettlermafia ausgehoben oder jemand zum Betteln gezwungen wurde. Wie die einzelnen Bettelverbote (etwa das Wort „aggressiv“) genau definiert werden, sagt das Wiener Landesgesetz nicht, dies ist Auslegungssache der Polizei. Verstößt ein Bettler gegen eines der Bettelverbote, drohen Strafen bis zu 700 Euro.

5 Wie viele Bettler gibt es in Wien und woher kommen sie?

Wie viele Bettler es in Wien gibt, wird nicht erfasst. Und weder Polizei noch diverse Bettler-Aktivisten wollen sich auf eine Schätzung festlegen. Einig sind sich aber alle, dass die meisten Bettler aus dem Ausland kommen, zum Großteil aus Rumänien und Bulgarien. Unter den heimischen Bettlern finden sich wiederum Punks, Drogenabhängige und Obdachlose, sagt Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Wiener Grünen. Sie geht davon aus, dass wegen wachsender Armut die Zahl der Bettler in Wiens Straßen am Steigen ist.

6 Wie entwickelt sich die Bettler-Situation in Wien?

Seit der Novelle 2010 (damals wurde das Verbot der gewerbsmäßigen Bettelei im Gesetz verankert) ist die Zahl der Anzeigen gestiegen (von 1127 im Jahr 2010 auf 1273 im Jahr 2011, 2012 hielt man bei 1458). Mit ein Grund dafür ist, dass die Polizei nun stärker gegen Bettler vorgeht. Ob das Bettelverbot die Zahl der Bettler verringert hat? Das, so die Exekutive, könne man nicht sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2013)

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