Ein Fluss, zwei Quellen

Fluss zwei Quellen
Fluss zwei Quellen c Florian Peljak
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Die deutschen Städte Donaueschingen und Furtwangen streiten sich über den Donauursprung. Geschichte einer Auseinandersetzung.

Der in Wien wirkende Geologe Eduard Suess hat es im Jahr 1911, als er sich Gedanken um die Quelle der Donau gemacht hat, irgendwie auf den Punkt gebracht: „So einfach ist aber die Sachlage nicht.“ Suess' Feststellung geht eine längere Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlern über den wahren Donauursprung voraus – und ein bisweilen kurioser Streit über eben jenen Ursprung folgt nach: Zwei Städte in Baden-Württemberg, Donaueschingen und Furtwangen, ringen um den wahren Ursprung.

Auf der einen Seite haben wir einen opulenten Brunnen im Schlosspark des Fürsten von Fürstenberg in Donaueschingen, auf der anderen Seite ein, nun ja, Rinnsal, das sich aus einem sumpfähnlichen Gebiet in Furtwangen bildet, rund 30 Kilometer nordwestlich von Donaueschingen. An beiden Standorten kann man auf Infotafeln sinngemäß lesen: Hier befindet sich die Donauquelle. Tatsächlich entspringt im fürstlichen Park der Donaubach, der sich später mit den Flüssen Brigach und Breg vereint – und ab dann als Donau weiterfließt. In Furtwangen hingegen, im Garten des Höhengasthauses Kolmenhof, entspringt die Breg; sie ist die länger als die Brigach und gilt daher als Ursprungsquelle. Bis es aber zu dieser Faktenlage kam, hatte Donaueschingen lange Zeit das Ursprungsmonopol.

Im 1.Jahrhundert hat der römische Politiker und Historiker Tacitus die Donauquelle im Schwarzwald geortet, im 15. Jahrhundert fällt dann der Name Donaueschingen. Der publikumswirksame Fürstenbrunnen hat der Quelle körperliche Substanz gegeben, obwohl sich Brigach und Breg nicht genau hier, sondern etwas weiter stadtauswärts vereinen.

„Die Fürsten von Fürstenberg sind stolz, die Herren der Donauquelle zu sein“, schrieb der Geograf Friedrich Ratzel im Jahr 1905. Die Gelehrten aber, so Ratzel weiter, wollten ihnen, den Fürsten, „diesen schönen Besitz streitig machen“. Was die Gelehrten betrifft: Derer gab es – zum Leidwesen der Donaueschinger – nicht wenige. Für Jules Verne, Schriftsteller und Ratzels Zeitgenossen, stand fest, dass der Donauursprung im fürstlichen Garten nicht mehr als eine Sage ist: „Man weiß jetzt, dass er aus der Vereinigung zweier Bäche, der Brege und der Brigach, entsteht.“ Schon ein Jahrhundert vor Verne hatte sich der Wiener Naturwissenschaftler Joseph August Schultes über die Fürsten echauffiert: „Könnte nicht ebenso gut jeder Bauer, der einen Brunnen in seinem Hofe hat, dessen Quelle in die vorüberfließende Donau ausläuft, behaupten, er sey der Besitzer der wahren Donauquelle?“

Eschingen ohne Donau. Eine neue Dimension erhielt die Kontroverse ab den 1950er-Jahren, als das Ehepaar Ludwig und Irma Öhrlein die Quelle der Breg in Furtwangen ausmachten, gleich bei der Martinskapelle und dem weitläufigen Kinderspielplatz des Höhengasthauses Kolmenhof. In Donaueschingen lösten die Forschungen der Öhrleins freilich einen Sturm der Entrüstung aus (allein wegen der Tatsache, dass sie im Brunnen des Schlossparkes nicht mehr sahen als ein irrelevantes Nebenwässcherchen). Für die Donaueschinger war die Sache klar: Die Öhrleins haben diese Behauptung als ein kleines Dankeschön für die gelungenen Ferien am Hof aufgestellt. Woraufhin die Furtwanger auch eine Antwort hatten: Donaueschingen wurde von einigen nur mehr Eschingen genannt.

Richtig politisch wurde es dann 1981, als das baden-württembergische Innenministerium eine „Ferienreisekarte“ herausgab, wobei bei Furtwangen der Zusatz „Donauquelle“ vermerkt war – bei Donaueschingen aber nicht. Der Bürgermeister Donaueschingens verfasste eine Protestnote an das Ministerium, die Furtwanger Donauquelle wurde dann entschuldigend entfernt: Man könne sich das Zustandekommen dieses Eintrages nicht erklären.

Wurde der Quellenstreit bisweilen auch von den Betroffenen selbst auf die Schaufel genommen – eine gewisse Ernsthaftigkeit ist geblieben. Zuletzt war es die EU in Gestalt des FDP-Europa-Abgeordneten Michael Theurer, der in offenen Wunden bohrte. Vor drei Jahren rührte er mit einer Radtour die Werbetrommel für das EU-Donaustrategiepapier. Theurer begann die Tour in Donaueschingen, denn hier beginne auch die Donau. Und dann sagte er noch schnell: „Damit habe ich nichts zu den Quellflüssen gesagt.“

Serie Donautour

Diese Serie wird von der ''Presse''-Redaktion gestaltet. Sie ist mit finanzieller Unterstützung der Stadt Wien möglich geworden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2013)

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