Polit-Neuling Lapid gelingt Überraschung bei Israel-Wahl

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Premier Netanjahus Bündnis liegt laut Exit Polls erwartungsgemäß an der Spitze, jedoch mit geringerem Vorsprung als vermutet.

Jerusalem. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen um die 25 Grad trieben zahlreiche Israelis schon früh am Dienstag an die Wahlurnen, damit sie den Rest des freien Tages für Ausflüge nutzen konnten. Schon am frühen Nachmittag zeichnete sich eine hohe Wahlbeteiligung ab. Dabei stand der Sieger schon im Vorfeld fest. Für Premier Benjamin Netanjahu stellte sich nur die Frage, mit welchem Vorsprung er aus dem Rennen hervorgehen würde.

Und dieser Vorsprung zeichnete sich nach ersten Exit Polls als wesentlich kleiner ab, als zuvor erwartet worden war: Das Bündnis von Netanjahus Likud und der extrem rechten Partei Israel Beitenu von Außenminister Avigdor Lieberman lag demnach nur mit 31 von 120 Knesset-Sitzen vorne und braucht mehrere Koalitionspartner, was die Regierungsbildung deutlich erschweren dürfte.

Auf Platz zwei kam völlig überraschend die liberale Partei „Es gibt eine Zukunft" des ehemaligen Journalisten Yair Lapid (18 oder 19 Mandate) gefolgt von der traditionsreichen Arbeitspartei mit etwa 17 Sitzen. Naftali Bennet, der neue Shootingstar der israelischen Politik, belegt mit seiner nationalreligiösen Partei demnach lediglich Platz vier. Auf sein Abschneiden war man im Vorfeld besonders gespannt gewesen.

Wählerjagd in letzter Minute

Noch am Wahltag hatten die Parteien alle ihre Helfer mobilisiert, um in letzter Sekunde Jagd auf potenzielle Wähler zu machen: „Eine starke Führung = ein starkes Israel“ stand auf dem T-Shirt einer Mutter, die zusammen mit ihrer halbwüchsigen Tochter im gleichen T-Shirt vis-à-vis für Netanjahu Stimmung machte.

Gut fünfeinhalb Millionen Israelis waren berechtigt, in einem der mehr als 10.000 Wahllokale landesweit ihre Stimme abzugeben. In den Kampagnen ging es vor allem um Sozialpolitik. Jeder wollte ein Stück haben vom Kuchen der Sozialbewegung, die im Sommer vor zwei Jahren 400.000 Menschen auf die Straße brachte. Das Thema Sicherheit stand latent im Hintergrund. „Wir brauchen eine Führung, die auf die Sicherheit des Staates nicht verzichtet“, sagte ein älterer Taxifahrer, der mit seiner Frau zur Wahl ging. Die „Bedrohung aus dem Iran“ mache ihm Sorge, aber auch die Palästinenser und Syrien, „einfach alle“.

Friedensprozess kaum Thema

Mit dem Thema Friedensprozess ist im Jahr 2013 keine erfolgreiche Politik zu machen. Nur zwei Parteien schrieben Verhandlungen mit den Palästinensern auf ihre Wahlplakate, die linke Meretz und Ex-Außenministerin Tzipi Livni. Unter den absehbaren Machtverhältnissen in der Knesset haben beide nicht die geringste Chance, etwas auszurichten. Mehr als 30 Parteien stritten um die 120 Sitze, darunter Scheinparteien, die ohne politisches Programm schlicht die Werbezeit im Rundfunk für ihr Thema nutzen wollten, wie ein Rabbiner, der gegen die Pornografie kämpft. Nur rund die Hälfte der Parteien hatte reale Chancen.

„Wir kratzen an der Zwei-Prozent-Hürde“, meinte Wahlhelfer Guy Aloni von der neuen arabisch-jüdischen Liste Daam, die unmittelbar an die Sozialbewegung anknüpft. „Wir sind Sozialisten“, meinte Aloni, „wir unterstützen den Arabischen Frühling und Occupy.“ Israel solle ein „Staat aller Bürger“ sein, kein jüdischer Staat. „Wir sind rund 40 Aktivisten in der Stadt“, erzählt Aloni, „und wir arbeiten alle umsonst.“ Viele hätten aus eigener Tasche den Wahlkampf mitfinanziert.

„Premier ohne Angst vor UNO“

Auf einen Blick

Kaum 20 Meter von den jungen Sozialisten entfernt postierte sich eine Gruppe Halbwüchsiger, die das andere Ende der politischen Landkarte repräsentieren. „Ich bin für Bennett“, sagte der 19-jährige Jehuda. Dabei trug der Erstwähler ein T-Shirt mit dem Slogan von Netanjahu. „Ich bekomme 500 Schekel für den Tag hier“, erklärte er. Das sind rund 100 Euro. Jehuda und seine Freunde kommen aus Siedlungen im Westjordanland. „Wir brauchen einen starken Premier“, meinte er. „Einen, der keine Angst vor der UNO hat und sich nicht von US-Präsident Obama dreinreden lässt.“

Bei Israels Parlamentswahl am Dienstag kämpften mehr als 30 Parteien um die 120 Sitze in der Knesset. Viele hatten jedoch keine Chance, die Zwei-Prozent-Hürde zu überspringen. Laut ersten Exit Polls gewann das Rechtsbündnis von Premier Netanjahu 31 Mandate, gefolgt von den Liberalen des Ex-Journalisten Yair Lapid, der Arbeitspartei und den Nationalreligiösen von Naftali Bennet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23. Jänner 2013)

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