Wien Energie droht Millionendebakel

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Der stadteigene Energiekonzern hat ein „Prestigeprojekt", bei dem er nur verlieren kann. Er zahlt 25 Mio. Euro, auch wenn er ein Kraftwerk nicht baut.

[Wien/Molln] Über diese Geschichte lacht die ganze Energiebranche. Vor knapp einem Jahr verkündete die Wien Energie mit stolz geschwellter Brust ihren Einstieg in die Wasserkraft. Gemeinsam mit dem Bauunternehmer Kurt Bernegger werde man das erste Pumpspeicherkraftwerk Oberösterreichs bauen und 150.000 Haushalte mit sauberem Strom versorgen, hieß es. Endlich hatte der Energiekonzern der rot-grünen Bundeshauptstadt ein „sauberes" Projekt, das ihm besser zu Gesicht stand als die ungeliebten Gaskraftwerke. 320 Millionen Euro waren die Wiener bereit, für diesen Traum in die Hand zu nehmen. Geplanter Spatenstich: September 2012.

Doch mittlerweile ist der Winter ins Land gezogen und passiert ist nichts. Denn siehe da: Die Rechnung geht nicht auf. Das Kraftwerk zu bauen, ist derzeit nicht rentabel. Es nicht zu bauen, kostet - aufgrund der gewieften Vertragsgestaltung - auch. Baut Wien Energie vier Jahre lang nichts, erhält der Ideengeber Bernegger nicht nur seine Idee zurück, sondern erhält obendrein 25 Millionen Euro. So mutiert das vermeintliche Prestigeprojekt zum Millionendebakel.

Rückendeckung aus dem Rathaus

Die Geschichte beginnt vor zehn Jahren im oberösterreichischen Molln am Rande der Kalkalpen. Seitdem feilt der Bauunternehmer Kurt Bernegger an seinem Plan, wie er einen alten Steinbruch sinnvoll weiter verwenden könnte. Die Idee: Die Stollen im Berg sollen für ein Pumpspeicherkraftwerk genutzt werden. Wenn andere Kraftwerke zu viel (billige) Energie produzieren, wird Wasser von einem Speichersee im Tal in die Höhlen im Berg gepumpt. Bei Stromknappheit wird das Wasser in die Tiefe geschickt und so wieder Strom produziert und teurer verkauft.

So weit, so gut. Schnell hatte der gut vernetzte Unternehmer alle Genehmigungen beisammen. Vom grünen Energielandesrat Rudi Anschober abwärts jubelten die Landespolitiker über das Vorzeigeprojekt. Nur der notwendige Financier wollte nicht so recht anbeißen. Verbund, Energie AG und Linz AG winkten ebenso ab wie einige deutsche Stromkonzerne. Dass es der Bauunternehmer nicht gerade billig geben würde, war ihnen schon damals klar. Oder wie es ein Branchenvertreter hinter vorgehaltener Hand formuliert: „Der einzige Pluspunkt waren die Genehmigungen."

Nur die Wien Energie hat sich in den Pumpspeicher Pfaffenboden verschaut. Bot sich da doch endlich die lang ersehnte Möglichkeit, ins Geschäft mit der sauberen Wasserkraft einzusteigen, statt immer nur Gas zu verbrennen. Unumstritten war das Projekt aber auch bei der Wien Energie nie. Obwohl Ko-Geschäftsführerin Susanna Zapreva sich bald für das Kraftwerk starkmachte, war anderen Managern im Haus schon vor der Unterzeichnung des Vertrags Ende 2010 klar, dass die Zeiten für Pumpspeicherkraftwerke nicht gerade rosig werden. Denn obwohl Stromspeicher eigentlich gebraucht werden, drückt das Überangebot an Ökostrom zur Mittagszeit die Preise so stark, dass sich neue Pumpspeicher nicht rentieren. Doch Zapreva hatte politische Rückendeckung aus dem Rathaus für das grüne Projekt und die Wien Energie schlug zu.

Jetzt steht das Unternehmen vor dem Dilemma, entweder ein unrentables Kraftwerk zu bauen oder 25 Millionen Euro dafür abzulegen, dass man gar nichts tut.

Wien auf Partnersuche im Ausland

An ihm liege die Verzögerung sicher nicht, sagt Kurt Bernegger zur „Presse". „Ich habe das Projekt komplett den Wienern übergeben. Ich würde sofort bauen. Wir sind schließlich eine Baufirma." Die „Wiener" versuchen unterdessen verzweifelt, ihren Kopf irgendwie wieder aus der Schlinge zu ziehen. Offiziell will man am Projekt festhalten. Allein kann man es aber beim besten Willen nicht mehr durchziehen. Im Inland ist die Partnersuche gescheitert. „Jetzt suchen wir international", sagt Wien-Energie-Sprecher Christian Ammer. Bis zu 49 Prozent stünden zum Verkauf. Ob und wann die mit der Suche beauftragte Investmentfirma Morgan Stanley Interessenten findet, traut er sich nicht einzuschätzen. Und die 25 Millionen, die in zwei Jahren in jedem Fall drohen? „Ja, das steht im Vertrag drinnen", bestätigt Ammer. „Noch sind wir aber nicht in Zeitverzug."

Hinter den Kulissen des kommunalen Energieriesen kracht es jedoch gehörig. Erst im Vorjahr schrieb Wien Energie einen Verlust von 258 Millionen Euro. Weitere 25 Millionen Euro für ein grünes „Prestigeprojekt" in den Wind zu schreiben, kann sich Marc Hall, der neue Energie-Vorstand der Stadtwerke, wohl kaum leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24. Jänner 2013)

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