Entacher: Wehrpflicht neu bis Herbst „unmöglich“

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Eine Reform des Grundwehrdienstes könnte erst 2014 umgesetzt werden, so der Generalstabschef. Anders als die ÖVP will er die Pilotprojekte von Minister Darabos fortführen.

Wien. Attraktiver, spannender und vielleicht sogar besser bezahlt – kaum hat sich die Bevölkerung für die Beibehaltung der allgemeinen Wehrpflicht ausgesprochen, hat sich die Koalition so einiges für die Reform des Grundwehrdienstes vorgenommen. Im Herbst sollen die Rekruten schon den verbesserten Dienst ableisten, so der Plan.

Generalstabschef Edmund Entacher sieht dies allerdings nicht so optimistisch wie die Regierungsspitze: „Das ist unmöglich“, meint er zur „Presse“. Es könne zwar sein, dass man bis dahin die Reform fertig geplant hätte, „eine physische Umsetzung ist aber beim besten Willen nicht möglich“. Erst im Jahr 2014 könne man damit rechnen.

Bis dahin sei noch einiges zu klären – nicht zuletzt auch die Frage nach dem Geld, das der Regierung die neue Wehrpflicht wert ist. „Wenn man den Grundwehrdienst heftig pushen will, wird man etwa 20 Millionen Euro umschichten müssen“, so Entacher. Wird der Anteil der Systemerhalter (Fahrer, Bürogehilfen) reduziert und diese dafür militärisch ausgebildet, benötige man auch mehr Geld. „Man braucht Infanteriemunition, weil mehr Leute schießen. Und man muss mehr Ausbildner einsetzen, das bedeutet mehr Personalkosten.“ Ein Systemerhalter kostet dem Bundesheer derzeit 6000 bis 8000 Euro, ein Grundwehrdiener mit Dienst an der Waffe hingegen bis zu 10.000Euro. Doch woher soll das Geld kommen? Laut Entacher kann man „beim Sachaufwand Geld umschichten“. Das bedeutet: Einige ältere Fahrzeuge werden länger genützt, neues Gerät (wenn überhaupt) erst später angekauft.

Bei einer Sache will Entacher aber auf keinen Fall sparen: Die Pilotprojekte, die Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) Anfang 2012 gestartet hat, sollen auch weiterhin fortgesetzt werden – für zwei weitere Jahre, wie geplant. Die ÖVP fordert hingegen, die Projekte einzustellen – sie seien Geldverschwendung und zielen außerdem auf die Einführung eines Berufsheeres ab. Zehn Millionen hat das Verteidigungsressort für drei Jahre dafür eingeplant.

Hier stellt sich Entacher ausnahmsweise auf die Seite von Verteidigungsminister Darabos: „Aus den Projekten kann man wirklich einen Nutzen ziehen“, sie seien nicht nur auf ein Berufsheer ausgerichtet. Da bekommt er auch Unterstützung vom Einsatzchef des Bundesheeres, Generalleutnant Christian Segur-Cabanac: Das Projekt „Professionalisierung von Verbänden“ im Klagenfurter Jägerbataillon 25 zu einem Musterverband ausschließlich aus Zeit- und Berufssoldaten sei ganz wichtig und sollte auch mit dem System der Wehrpflicht weitergeführt werden. Bisher seien die Soldaten in ganz Österreich verstreut gewesen, mit der Aufstellung des Verbandes in Klagenfurt „haben wir ein Instrumentarium, ein ganzes Bataillon im internationalen Bereich einzubringen und nicht nur zusammengestellte Einheiten“, so Segur-Cabanac.

Ein weiteres Projekt betrifft die Reduktion der Systemerhalter, die nun auch die ÖVP fordert: In sechs Standorten in der Steiermark, Kärnten und Wien wird auf deren Einsatz verzichtet – seit Jänner auch im Ministerium. Ihre Aufgaben übernehmen Zivilbedienstete, Lehrlinge oder technische Hilfsmittel wie Kameras. Das sollte man nicht mehr rückgängig machen.

Beim dritten und letzten Pilotprojekt „Profimiliz“ ist die Lage dagegen etwas schwieriger. Die für zwei Miliz-Kompanien bereits angeworbenen Soldaten haben nämlich dreijährige Verträge, die nicht ohne Weiteres aufgelöst werden können. „Es wird schwer sein, aus dem Vertrag auszusteigen“, meint Segur-Cabanac. Laut Entacher sei das Projekt auch wichtig, um die Übungs- und damit Einsatzfähigkeit der Miliz zu verbessern. Der ehemalige Verteidigungsminister Günther Platter (ÖVP) hat die verpflichtenden Übungen abgeschafft.

ÖVP-Forderungen sind „kalter Kaffee“

Von den Pilotprojekten bis zum Budget – all das soll eine Arbeitsgruppe in der Regierung bis zum Sommer klären. Die ÖVP hat in die Verhandlungen ihr lang angekündigtes, aber kurz gehaltenes Zwölf-Punkte-Programm mitgenommen. Dafür gab es am Mittwoch bereits Kritik aus den Reihen des Militärs: „Das ist alles kalter Kaffee“, meinte der oberösterreichische Militärkommandant Kurt Raffetseder zum ORF Oberösterreich. Er verstehe überhaupt nicht, welchen Zusammenhang diese zwölf Punkte mit der Gestaltung des Wehrdienstes hätten. Angesichts dieser Forderung werde ihm „schwindlig“.

Die ÖVP hat neben körperlicher Ertüchtigung und intensiven Erste-Hilfe-Kursen gefordert, dass Rekruten nach der Grundausbildung zumindest „in groben Zügen“ über den Zeitplan der weiteren Tätigkeit beim Heer informiert werden, um private Terminplanung – etwa einen Studienbeginn – besser zu ermöglichen. „Es ist nicht Neues, dass bei uns Sport gemacht wird, und es ist auch nichts Neues, dass es einen Erste-Hilfe-Kurs gibt“, so Raffetseder. Auch die Terminplanung gebe es bereits – ebenso wie den Einsatz der Rekruten in den Bereichen, für die sie am besten geeignet oder für die sie bereits ausgebildet sind.

Dafür brachte Raffetseder selbst einen neuen Vorschlag ein – und zwar nach Schweizer Vorbild: Untaugliche könnten eine Art „Wehrersatzsteuer“ zahlen, wenn sie schon nicht zum Heer gehen oder Zivildienst leisten. Junge Männer sollten dem Staat entweder Zeit oder Geld abgeben. Im Sinne der Gerechtigkeit müsse man über so etwas nachdenken, findet Raffetseder.

Auf einen Blick

Die Pilotprojekte sind von Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) im Jänner 2012 gestartet worden und sollen drei Jahre lang laufen. In einigen Liegenschaften wird auf Systemerhalter verzichtet, das Jägerbataillon 25 in Kärnten soll nur mehr aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen, außerdem wird eine Freiwilligen-Miliz aufgestellt. Zehn Millionen Euro wurden dafür insgesamt eingeplant. Die ÖVP will die Projekte einstampfen und das Geld für die Reform des Grundwehrdienstes nutzen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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