Israel: Netanjahus Koalitions-Sudoku

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Der Ausgang der Parlamentswahl vom Dienstag stellt den Premier vor eine schwer lösbare Aufgabe. Es gibt zwar viele potenzielle Partner, doch die sind nicht kompatibel.

Jerusalem. Es gibt Erfolge, über die man sich nicht so wirklich freuen kann: Nach der gestrigen Wahlnacht dürfte es den beiden israelischen Altparteien, die lange die Politik dominiert haben, so gegangen sein: dem rechten Likud und der linken Arbeitspartei. Der Likud kam zwar mit 31 Mandaten in der Knesset auf Platz eins, allerdings nur im Bündnis mit der rechtsnationalistischen Israel Beitenu von Ex-Außenminister Avigdor Lieberman. Bei der vergangenen Wahl hatten sie noch elf Mandate mehr.

Und die Arbeitspartei, die eine Spaltung zu verkraften hatte, schaffte unter ihrer neuen Vorsitzenden Shelly Jachimowich zwar ein Comeback, dieses fiel mit 15Sitzen allerdings deutlich bescheidener aus als erhofft.

Fast ein Drittel der Wähler ging auf Abstand zu den alten Politikern, sie setzten ihre Hoffnung in zwei jüngere, aparte Männer, die ihre in weiten Teilen nebulösen Parteiprogramme per Facebook und in Talkshows vermarkteten: Yair Lapid von der liberalen Partei „Es gibt eine Zukunft“ (19 Mandate, Platz 2) und Naftali Bennet von den Nationalreligiösen (11 Sitze).

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Festhalten an „Großisrael“

Lapid spricht vage von „Herausforderungen“, die er mit Netanjahu angehen wolle. Bennett strebt nach mehr „Jüdischheit“ und hält an „Großisrael“ fest. Beide sind nicht kompatibel mit den orthodoxen Parteien, die bisher in Netanjahus Regierung gesessen sind, der orientalischen Shas und dem Vereinten Thora-Judentum. Sie stehen alternativ zu Lapid und Bennett für eine Koalition mit Netanjahu bereit.

Für ein „beunruhigendes Phänomen“ hält Guy Ben-Porat, Politikwissenschaftler von der Ben-Gurion Universität Beerschewa, die Tatsache, dass ein so großer Bevölkerungsanteil für „Parteien mit nichtssagenden Programmen“ stimmte, nur weil sie „das Versprechen schneller Lösungen hübsch verpacken“. Ben-Porat gibt Lapids liberaler Partei keine großen Überlebenschancen.

Lapid konnte fast alle Wähler für sich gewinnen, die bis zum Ende unentschlossenen waren. Schon im Vorfeld der Wahl kündigte er an, in die Regierung Netanjahus einziehen zu wollen, allerdings werde er nicht „als Feigenblatt in einer Rechtsregierung“ herhalten. Möglich ist, dass Netanjahu den früheren Verkehrsminister Schaul Mofas wieder zu sich ruft, um Lapid den Einzug in die Regierung zu ermöglichen. Mofas, Chef der Kadima, die vor vier Jahren noch stärkste Fraktion war, schaffte diesmal nur knapp den Einzug in die Knesset.

Nur Livni warb für Frieden

Der Nationalreligiöse Bennet gilt als der natürliche Partner für Netanjahu. Seine Partei überschneidet sich in ihren Zielen in weiten Teilen mit dem Likud und noch stärker mit Liebermans Israel Beitenu. Sie lehnen territoriale Kompromisse mit den Palästinensern ab. Bennetts Partei ist vor allem in den Siedlungen beliebt. Lieberman lebt selbst in einer Siedlung.

Noch in der Wahlnacht stellte Netanjahu einen Fünf-Punkte-Plan vor: Es gehe darum, einen Atomstaat Iran zu verhindern, die Wirtschaft voranzutreiben und die Lebenshaltungskosten zu drücken. Israel sei dem Friedensprozess verpflichtet, betonte er, und auch Orthodoxe sollen Wehrdienst leisten.

Arbeitspartei-Chefin Jachimowich lehnt ein Zusammengehen mit Netanjahu kategorisch ab. Möglich wäre, dass dieser versucht, Ex-Außenministerin Tzipi Livni für sich zu gewinnen, und sei es nur, damit Israel international gesellschaftsfähig bleibt. Livni, die es auf enttäuschende sechs Mandate gebracht hat, ist die einzige potenzielle Koalitionspartnerin, die mit dem Thema Friedensprozess in den Wahlkampf gegangen ist. Sie stünde bei den Machtverhältnissen aber auf verlorenem Posten.

Ob es Verhandlungen gibt oder nicht, muss in Washington und Europa entschieden werden. Sollte US-Präsident Barack Obama Druck auf Israel machen, „dann wird eine rechtsnationale Koalition nicht lange durchhalten“, glaubt Politologe Ben-Porat. Wenn nicht, könne Netanjahu weiter „vom Frieden reden, ohne etwas zu tun“. Auf diese Art hat er schon die letzten vier Jahre im Amt gut überstanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.01.2013)

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