Die Schwarzenbergs: Gelobt sei Anna Neumann, Herrin von Murau

(c) FABRY Clemens
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Böhmische Aristokraten, steirische Schlossherren, Schweizer Doppelstaatsbürger, tschechische Patrioten, europäische Weltbürger - die Geschichte einer Dynastie.

Immer ist nur von den berühmten Männern dieser Dynastie die Rede – von Feldherrn und Diplomaten, von „Land- und Forstwirten“, von Politikern des Hauses Schwarzenberg. Dabei stammt der Großteil des gewaltigen Vermögens von einer Frau. Noch dazu von einer Bürgerlichen aus Villach, Tochter eines Kaufmannes. Anna Neumann von Wasserleonburg (1535–1623) war eine interessante, selbstbewusste Frau der Renaissance. Noch dazu evangelisch. Sie überlebte fünf Ehemänner, darunter mehrere Adelige, ihr Erbe wuchs dadurch ständig. Und sie verlieh Geld. Selbst Kaiser Ferdinand II. stand mit 220.000 Gulden bei ihr in der Kreide. Eine unverschämt hohe Summe. Auch der verschwenderische Fürsterzbischof von Salzburg, Marcus Sitticus, gehörte zu ihren „Klienten“.

Was aber sollte einmal mit dem gigantischen Vermögen der „lustigen Witwe“ geschehen? Die 81-jährige Herrin von Murau, kinderlos, ebenso als ehr- wie als geizig verschrien, hatte sogar einen Hexenprozess überlebt. Jetzt wollte sie ihr Erbe einem Schwarzenberg zukommen lassen. Eine Adoption wäre möglich gewesen, aber der Auserkorene war nicht bereit, seinen Namen abzulegen. Also wurde der um fast fünfzig Jahre jüngere Reichsgraf Georg Ludwig zu Schwarzenberg, dessen Stammbaum sich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, geheiratet. Auf einmal mehr kam es schließlich nicht an.

Besitztümer in ganz Mitteleuropa

So wird man reich. Und mächtig. Mit Annas geerbtem Schatz und einer zweiten Erbschaft von den Eggenbergern kaufte die Familie Ländereien in Böhmen, der Schweiz, in Deutschland, in Österreich. Bis zum Ersten Weltkrieg besaßen die Schwarzenbergs eines der größten Besitztümer in Europa: 200.000 Hektar Land, zwei Dutzend Schlösser, Fabriken, Anteile an „Budweiser“, viele Industriebetriebe. Das Palais in Prag . . .

Wer so reich ist, kann sich getrost und gratis dem Staat zur Verfügung stellen. Und das tat nicht nur Fürst Carl, dessen Feldherrndenkmal in Wien an die Völkerschlacht zu Leipzig erinnert, das tat auch Prinz Felix, der 1848 Franz Josephs erster Ministerpräsident und wichtigster Ratgeber des 18-jährigen unerfahrenen Thronerben werden sollte.

Seit November 1848 stand Felix Schwarzenberg an der Spitze des österreichischen Ministeriums. Er war es, der dem kränkelnden Thronfolger Erzherzog Franz Karl nahelegte, nicht die Nachfolge von Kaiser Ferdinand anzutreten, sondern zugunsten seines 18-jährigen Sohnes Franz Joseph zu verzichten. Das war ganz nach dem Wunsch der ehrgeizigen Mutter Sophie, aber es gab eine Schwierigkeit: Der neue Kaiser sollte „Franz II.“ heißen. Ministerpräsident Felix Schwarzenberg war dagegen. Schon der Name des Herrschers sollte den Menschen zeigen, dass jetzt eine völlig neue Generation antrat. Er gab dem jungen Mann den Namen „Franz Joseph I.“ Und er blieb Ministerpräsident.

Prinz Felix und sein Plan

Jetzt fühlte sich Schwarzenberg auch stark genug, nach der bürgerlichen Revolution in den deutschen Landen eine revolutionäre Neuordnung Mitteleuropas zu planen. Den preußischen Versuchen, Österreich aus Deutschland hinauszudrängen, setzte er einen kühnen Plan entgegen, der aber scheitern musste: eine große Reichslösung. Österreich – samt Liechtenstein – sollte als zentralistischer Gesamtstaat in den Deutschen Bund eintreten. Ein Direktorium sollte dieses Reich von 70 Millionen führen, an der Spitze mit einem Reichsstatthalter, nämlich jährlich abwechselnd dem österreichische Kaiser und dem König von Preußen. Es war – so können wir es heute beurteilen – die Absage Österreichs an das nationalstaatliche Prinzip, ein Bekenntnis zu einem vereinigten Mitteleuropa.

Das gelang nicht. Nicht einmal die Aufnahme des gesamten österreichischen Staatsgebietes in den Deutschen Bund glückte, ebenso wenig der Eintritt der Österreicher in den Deutschen Zollverein.

Österreichs Neuordnung scheiterte

Im Inneren strebte der Prinz einen Einheitsstaat ein, als einziges Mittel, um das am Boden liegende Reich wirtschaftlich und finanziell wieder auf die Beine zu bringen. Aber wie so oft in der Historie der Schwarzenbergs unterschätzte auch er die Kraft der Nationalitäten. „Vielleicht verbaute er damit eine mögliche Entwicklung zu einem föderativen Vielvölkerstaat“, meint Karl Heinz Ritschel.

Ein Vorfahr brachte es sogar zu einem Bronzedenkmal in Wien. Auch wenn das Reitermonument auf dem Schwarzenbergplatz eher ungünstig postiert ist, so erinnert es doch an Fürst Carl, der am Endsieg der verbündeten deutschen Heere über Napoleon 1813/14 führend teilnahm. Bis heute streiten die Militärhistoriker, ob der Sieg dem vorsichtigen Taktieren des kleinen und dicklichen Marschalls Schwarzenberg zuzurechnen sei oder nicht doch eher dem strategischen Genie seines Generalstabschefs Radetzky, eventuell sogar dem stürmischen Impetus des preußischen Generals Blücher. Wie auch immer, Schwarzenberg wusste, was er seiner gesellschaftlichen Stellung schuldig war: dem Reich zu dienen. „Du weißt“, schrieb er seiner Frau, „dass es nicht der militärische Klimbim ist, der mich an meinen Beruf fesselt. Vielleicht weiß niemand besser als Du, dass ich vielleicht sogar der Einzige in der Armee bin, der nur aus der Überzeugung dient, dass er damit eine Pflicht erfüllt, die ihm seine Stellung vorschreibt. . .“

Ein „Military Manager“

Der frühere Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums, Joh. Christoph Allmayer-Beck, rühmt dennoch die besondere Fähigkeit Schwarzenbergs, der im August 1813 den Oberbefehl über die alliierten Heere übernahm: Drei Verbündete mit unterschiedlichen Ansichten, drei Heere, die miteinander kaum „kompatibel“ waren, bis vor die Tore von Paris zu manövrieren, dazu bedurfte es mehr als nur eines Feldherrn, sondern eines Mannes, der auch diplomatisch und menschlich das verkörperte, was die Amerikaner einen „Military Manager“ nennen, wie dies etwa General Dwight Eisenhower im Zweiten Weltkrieg so hervorragend gelungen war.

Heinrich im Konzentrationslager

„Avi servare gesta nepotem decet“ – dieser Wahrung der Tradition hatte sich auch der 1903 in Böhmen aufgewachsene und 1965 in Wien verstorbene Fürst Heinrich verschrieben: „Es ziemt dem Enkel, die Taten des Ahnen zu bewahren.“ Ihn hatte das Schicksal in die dunkelsten Jahre Österreichs geworfen, als Anti-Nazi quälte man ihn im KZ Buchenwald, nachdem zuvor schon der Besitz in Böhmen konfisziert worden war. Er überlebte und wurde recht spät, erst 1950, Chef des Hauses.

Bis dahin hatte er seinen Lebensunterhalt als Beamter im Außenministerium verdient, nun wartete eine Herkulesarbeit auf ihn: Das Palais am Schwarzenbergplatz, im Februar 1945 durch alliierte Bomben schwerst zerstört, eines der kostbarsten Kunstdenkmäler Österreichs, baute er unter persönlichen Opfern wieder auf. Er war ein Grandseigneur, ohne Ehrgeiz für die eigene Person, bescheiden und wirtschaftlich fortschrittlich, was die Bediensteten in der Steiermark betraf. „Ein Christ und ein Edelmann“, wie die „Furche“ rühmte. Die Zukunft des Palais ist noch ungewiss.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.01.2013)

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