Tschechien: Zeman siegt mit Wahlhelfer Beneš

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Ex-Premier Zeman ist klarer Sieger der ersten direkten Präsidentenwahl in Tschechien. Maßgeblich geholfen hat ihm eine Schmutzkübelkampagne gegen seinen Konkurrenten, Außenminister Karel Schwarzenberg.

Da hat der scheidende Präsident Václav Klaus noch einmal Glück gehabt: Er muss jetzt doch nicht auswandern. Für den Fall nämlich, dass sein Intimfeind Karel Schwarzenberg die Stichwahl um seine Nachfolge auf dem Prager Hradschin gewonnen hätte, hat Klaus die Emigration angedroht.

Nun wird also der frühere sozialdemokratische Premier Miloš Zeman (68) neuer Präsident in Prag, paradoxerweise sehr zur Freude seines bürgerlichen Vorgängers. In der Stichwahl um die Klaus-Nachfolge gewann Zeman gegen seinen konservativen Kontrahenten, Außenminister Schwarzenberg (75) mit 54,9 zu 45,1 Prozent. Während Schwarzenberg erwartungsgemäß die Hauptstadt Prag eroberte, punktete Zeman in der Provinz.

In dem Prager Nobelhotel, in dem sich das Zeman-Lager eingerichtet hatte, herrschte unbändiger Jubel, Niedergeschlagenheit hingegen im Vergnügungszentrum Lucerna, wo Schwarzenberg seine Fans versammelt hatte. Die allerersten Zahlen aus den kleinsten Wahlbezirken sahen den „Fürsten" noch vorn. Aber das Bild änderte sich von Minute zu Minute. Nach der Auszählung von 90 Prozent der Stimmen war klar, dass Schwarzenberg den Vorsprung Zemans von mehr als einer halben Million Stimmen nicht mehr würde aufholen können.

»Wegen seiner Zeit im Exil galt Schwarzenberg manchen nicht als »echter« Tscheche.«

Umfragen zufolge folgten viele Tschechen bei ihrer Wahlentscheidung einer Empfehlung von Amtsinhaber Klaus. Der hatte betont, er könne sich keinen Präsidenten vorstellen, der nicht sein Leben lang in Tschechien gelebt habe. Schwarzenberg hatte mehr als 40 Jahre gezwungenermaßen im Exil zubringen müssen. Für 22 Prozent der Wähler war wahlentscheidend, dass der Minister damit „kein richtiger Tscheche" sei. 32 Prozent bemängelten das altertümliche, mitunter schwer verständliche Tschechisch Schwarzenbergs. Interessant ist aber, dass gleichzeitig eine Mehrheit Schwarzenberg sehr viel besser zutraute, Tschechien im Ausland zu vertreten. Das dachten sich auch jene Tschechen, die selbst im Ausland leben. Wo auch immer auf der Welt - überall, wo Tschechen wählten, hatte der angesehene Außenminister die Nase klar vorn.

Beneš nach Den Haag? Negativ fiel für Schwarzenberg wohl ins Gewicht, dass er in den Duellen mit Zeman die Nachkriegsvertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei kritisiert hatte. Die sei „kein Ruhmesblatt" für die Tschechen gewesen, sondern aus heutiger Sicht eine „grobe Verletzung der Menschenrechte", hatte Schwarzenberg betont. Man habe die Deutschen kollektiv entrechtet, ohne zu beachten, dass sich viele von ihnen loyal zum tschechoslowakischen Staat verhalten hätten. Aus heutiger Sicht, so Schwarzenberg, würde die damalige Regierung inklusive Präsident Edvard Beneš vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zitiert werden.

Dies hatte bei Zeman und seinen Anhängern helle Empörung ausgelöst. Wenn Schwarzenberg Beneš mit Kriegsverbrechern auf eine Stufe stelle, habe er jegliches moralisches Recht verwirkt, Präsident zu werden, sagte Zeman und nannte seinen Gegenkandidaten verächtlich einen „Sudetjaken" - einen Funktionär der Vertriebenen.
Der amtierende Präsident Václav Klaus hat sich offen an die Seite Zemans gestellt und behauptet, die Tschechen müssten nach den Äußerungen Schwarzenbergs wieder um ihre Häuschen fürchten. Er, so Klaus, werde Schwarzenberg seine Kritik an Beneš „nie verzeihen".

Höhepunkt der nationalistischen Schmutzkampagne gegen den konservativen böhmischen Adelsspross Schwarzenberg war am Freitag, dem ersten Tag der Stichwahl, eine ganzseitige Anzeige in der meistgelesenen Zeitung des Landes, „Blesk". Darin wurden die Leser aufgefordert, unter keinen Umständen Schwarzenberg zu wählen. Der wolle die Sudetendeutschen entschädigen, er bereite „den Boden für die Rückgabe des Eigentums an die Nachfahren der Kriegsverbrecher", hieß es da unter anderem.

Schwarzenberg bezeichnete das als dreiste Lüge und stellte Strafanzeige. Später bekannte sich ein gewisser Vladimir Zavadil zu dem Inserat. Zavadil ist ein ehemaliger Stasi-Offizier, der sich an der gewaltsamen Unterdrückung von friedlichen Protesten gegen das KP-Regime beteiligt hatte. Heute ist er Anwalt in Prag und steht Zeman und dessen Umfeld sehr nahe. Woher er die umgerechnet 33.000 Euro für das Inserat hatte, sagte Zavadil nicht. Die Zeitung „Blesk" wird täglich von 1,4 Mio. Tschechen gelesen, vorwiegend von Leuten, die als weniger gebildet gelten und zu den potenziellen Wählern Zemans gehören. Die Tageszeitung „Lidové noviny" sprach am Samstag von einem „niederträchtigen Angriff Zemans auf seinen Widersacher".

Angstmache verfing. Umfragen zeigen, dass die nationalistische Kampagne vor allem in den Grenzgebieten verfing, wo vor ihrer Vertreibung die Sudetendeutschen gelebt hatten. Dort habe die Angstmache Zeman viele Wähler zugetrieben. Den Umfragen zufolge haben sich zudem viele sozial Schwächere für Zeman entschieden. Damit bestätigten sich Voraussagen, dass Schwarzenberg darunter zu leiden haben werde, der derzeitigen Regierung anzugehören, die wegen ihrer Sparprogramme überaus unbeliebt ist.

Zeman konnte sich auf die alten unreformierten Kommunisten verlassen. Auch die Sozialdemokraten votierten großteils für ihn. Die Führung der Partei hatte nur mit Bauchschmerzen eine entsprechende Empfehlung abgegeben. Zeman hatte die Sozialdemokraten nach der Wende aus dem Nichts aufgebaut und bis ins Regierungsamt geführt. Dann aber überwarf man sich. Zeman kandidierte vor zehn Jahren für das Präsidentenamt und unterlag damals Klaus, weil ihm seine eigenen Genossen die Gefolgschaft verweigert hatten. Zeman schlug mit lautem Knall die Tür hinter sich zu und trennte sich von seiner Partei. Er bekämpfte sie in der Folge, wo er konnte, gründete schließlich eine eigene Partei, die jedoch nur mäßig erfolgreich ist. Die Sozialdemokraten fürchten heute, dass sich Zeman für das damalige Zerwürfnis rächen könnte.

Die liberal-konservative Bürgerpartei hat ein Desaster, wie es die Sozialdemokraten befürchten, schon erlebt. Klaus, ihr geistiger Vater und Gründer, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bürgerpartei heute in der tiefsten Krise ihrer Existenz steckt.

»Zemans wichtigste Aufgabe ist es jetzt, die tief gespaltene Gesellschaft zu versöhnen.«



Zeman hat zwar bestritten, noch offene Rechnungen mit seiner alten Partei austragen zu wollen. Andererseits hat er aber angekündigt, noch viel mehr in die Tagespolitik unterhalb der Prager Burg eingreifen zu wollen, als sein in dieser Frage auch nicht eben zimperlicher Vorgänger Klaus.

Tiefer Graben. Die größte Aufgabe Zemans als Präsident wird aber eine andere sein: Die Gesellschaft war nie so gespalten wie in dieser ersten direkten Präsidentschaftswahl. Es zeichnet sich nicht nur ein Graben zwischen Gebildeten und weniger Gebildeten ab, sondern auch zwischen Alt und Jung. Die Jugend hat den älteren Kandidaten Schwarzenberg gewählt. Auch und vor allem wegen dessen offener Kritik an der Vergangenheit.

Diese jungen Leute fragen die Eltern- und Großelterngeneration, wie sie sich in der Zeit der nationalsozialistischen Besatzung und bei der Vertreibung verhalten hat. Diese Debatte ist nicht abzuwürgen, sagen Soziologen. Zeman habe bei den Jungen mit seiner nationalistischen Kampagne viel Widerwillen erzeugt.


Zeman muss also eine gespaltene Gesellschaft wieder zu vereinen versuchen. Und er muss aufpassen, dass er im deutschsprachigen Ausland eine andere Rhetorik an den Tag legt als im Wahlkampf. Zeman hat schon als Regierungschef schlechte Erfahrungen damit gemacht, sich offen abfällig über die Sudetendeutschen zu äußern. Seinerzeit bezeichnete er sie als „fünfte Kolonne Hitlers". Das hatte selbst seinen sozialdemokratischen Parteifreund in Berlin, Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, so aufgeregt, dass er einen Besuch in Prag absagte. Es hat lange gedauert bis sich das bilaterale Verhältnis wieder normalisierte.

Auf einen Blick

Zahlen zur Wahl. Ex-Premier Miloš Zeman entschied am Samstag die erste Direktwahl ums tschechische Präsidentenamt mit 54,9 Prozent klar für sich. Sein Kontrahent, der konservative Außenminister Karel Schwarzenberg, schaffte nur 45,1 Prozent der Stimmen.

Die Wahlbeteiligung lag mit 59,1 Prozent zwei Prozentpunkte unter derjenigen im ersten Durchgang. Während Zeman vor allem in den ländlichen Gebieten reüssierte, gewann Schwarzenberg in Prag.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. Jänner 2013)

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