Chefinnen auf dem Putzplan: Eine anonyme Topmanagerin erzählt

Kleine Diskriminierungen, offen ausgesprochene Frechheiten und das Selbstverständnis, dass die Frau sich gefälligst um den Kaffee zu kümmern hat. In ihrem Buch „Ganz oben" verrät eine Managerin unglaubliche Details über das schwierige Leben einer Frau in der Chefetage.

Es gibt ihn noch, den Beruf des Chauffeurs. Zum Beispiel in einem deutschen Unternehmen, einem sehr großen deutschen Unternehmen. Dessen Führungskräfte dürfen sich von den Fahrern zu Meetings oder zum Flughafen führen lassen. Theoretisch. Denn auch Frau A. ist eine solche Führungskraft (oder war es, aber dazu später). Trotzdem erfuhr sie erst nach Jahren zufällig von diesem Privileg. Als sie es dann auch nutzen wollte, hatte sie offenbar einfach Pech, denn es gab immer Probleme. Oh, Mittwoch, das werde schwierig, hieß es, oder: So viel zu tun! Merkwürdig nur: Bei den männlichen Kollegen klappte das Bestellen eines Wagens stets tadellos.

Nur nicht zickig sein, dachte sich Frau A. Sie selbst nennt sich „Anonyma" - auf dem Titelblatt ihres Buches „Ganz oben". Sie arbeite „im oberen Management eines Unternehmens mit Milliardenumsatz", verriet sie der „Presse" in einem per E-Mail geführten Interview. „Wir sind weltweit tätig und in einigen Bereichen Marktführer."
Frau A. ist also eine Topmanagerin. Alter unbekannt, Äußeres nicht gänzlich. „1,75 m groß, nicht wirklich schlank, kurz geschnittenes, dunkles Haar, kräftige Statur", liest man in ihrem Buch. Und das ist keine Nebensache: „Für meine Karriere war es ein unschätzbarer Vorteil, so auszusehen, wie ich aussehe", schreibt sie. Nämlich groß, aber nicht die männlichen Kollegen überragend; körperlich sehr präsent, aber nicht unmittelbar „attraktiv".

„Die Trampeltierfrau". Geringe Körpergröße sei für Frauen noch schwerer zu kompensieren als für Männer, meint sie. Und je attraktiver eine Frau, desto weniger werde ihr zugetraut. Männer würden den Typus „nettes Trampeltier" bevorzugen, weil er berechenbar und ungefährlich sei. Frau A. wurde früh viel zugetraut. Sie gehört zu den wenigen Frauen, die in deutschen oder österreichischen Firmen in Spitzenpositionen sitzen. An deren Zahl hat sich in den vergangenen Jahren wenig geändert, wie etwa der Prozentsatz an Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen zeigt. Im Vorstand der österreichischen Top-200-Unternehmen waren 2012 knapp über fünf Prozent Frauen, in den Aufsichtsräten gut elf Prozent. In Deutschland ist es kaum besser. Viele sehen das als Beweis dafür, dass eine verpflichtende Frauenquote unverzichtbar ist. Und die könnte bald kommen. Die EU-Kommission hat im Herbst einen Gesetzesvorschlag vorgelegt, dem Rat und Parlament noch zustimmen müssen.

Frau A. ist heute eine glühende Verfechterin der Frauenquote. Ihr Argument ist ein ganzes Buch, gefüllt mit Beobachtungen der letzten Jahre, die wie eine Zeitreise in die Vergangenheit klingen. Ein Einzelfall? Wohl nicht. Denn Frau A. beschreibt Folgen männlicher Führungsmonokulturen - und die sind in Unternehmen immer noch gang und gäbe. Viele dieser Phänomene sind nicht nur lächerlich, sondern auch lustig. Wenn Frau A. von Firmenreisen mit Partnerbegleitung erzählt, bei denen ihr Lebensgefährte mit Shoppingtouren und Porzellanmanufakturen unterhalten wird. Oder wenn sie erzählt, wie sie auf dem Putzplan für die stets schmutzige Teeküche landete - erstellt von ihrer eigenen Sekretärin. „Ich war doch einigermaßen überrascht, auf der Liste ausschließlich die Namen der weiblichen Mitarbeiterinnen zu finden, und mich unter ihnen."

Aber man will ja nicht „zickig" sein, zumal bei „Kleinigkeiten". Wenn sie sich nur nicht so häufen würden: Es gebe Aufgaben, die aus Sicht der Männer automatisch Frauen zufallen würden, schreibt die Autorin. Und sei keine Sekretärin vorhanden, so würde die einzige weibliche Kollegin in der Chefetage zum „Mädchen für alles". Stets werde sie gebeten, das Protokoll zu führen, ans Flipchart zu schreiben oder Fehlendes zu organisieren, nach dem Muster: „Haben wir denn keinen Kaffee bestellt, Frau A.?"

Böse Männer? Nein, das wäre zu vereinfachend. „Ganz oben" beschreibt nämlich auch, wie Frauen das Männerspiel, freiwillig oder nicht, mitspielen. Da ist etwa die Welt der Sekretärinnen, für die ein männlicher Chef schlicht mehr der „natürlichen Rangfolge" entspricht. Ganz selbstverständlich bekommt er den Tisch abgeräumt und den privaten Urlaub geplant. „Ich hole mir den Kaffee selbst, aber meine Sekretärin würde ihn mir aus eigenem Antrieb auch nicht bringen", schreibt Frau A., fragt sich aber gleichzeitig auch, ob sie selbst etwas zu dieser Ungleichbehandlung beiträgt. Immerhin pflege sie ein eher egalitäres Verhältnis zu ihren Mitarbeitern, lege keinen Wert auf Statussymbole. Die riesigen Büros männlicher Kollegen mit ihren am Ende positionierten Schreibtischen erinnern sie an „Schlosstreppen", „an deren Ende der Monarch auf seine Besucher wartet". In einer von derlei Präsenzritualen geprägten Umgebung kostet sie ihre Bescheidenheit zweifellos Autorität.

Bescheidenheit kann Frauen aber auch Geld kosten. Viel Geld. „Himmelweit" sei der Unterschied zwischen männlicher selbstbewusster Aggressivität und weiblicher Zurückhaltung sowie Unsicherheit in Beurteilungs- und Gehaltsgesprächen, staunt die Autorin. Die männlichen Mitarbeiter ihrer Abteilung würden durchschnittlich das Fünffache (!) an Gehaltserhöhung verlangen wie ihre weiblichen Kolleginnen gleichen Ranges.

„Freuen Sie sich denn?" Als sie nach etlichen Jahren erfolgreicher Führungstätigkeit schwanger geworden sei, erzählt Frau A., habe ihr Chef so reagiert: „Herzlichen Glückwunsch. Freuen Sie sich denn? Ihren jetzigen Job werden Sie nie wieder machen." Frau A. sieht das völlig anders. Sie traut sich in jedem Fall zu, die Arbeit auch mit Kind weiterzumachen. Wie geht es weiter mit ihr? Der Ausgang des Falls „Anonyma" bleibt in „Ganz oben" leider offen - aber auf Anfrage der „Presse" meint Frau A.: „Das können Sie vielleicht in meinem nächsten Buch nachlesen . . ."

Buchtipp
Anonyma. „Ganz oben.
Aus dem Leben einer weiblichen Führungskraft.“
Beck Verlag, 15,40 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27. Jänner 2013)

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