St. Pölten: Edler Shakespeare im Sperrholz

(c) NÖ Landestheater / Sepp Gallauer
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Burgschauspieler Roland Koch inszenierte im Niederösterreichischen Landestheater Shakespeares „Viel Lärm um nichts“ als ernste Komödie mit Anne Bennent, Tobias Voigt, Moritz Vierboom.

Wer das erste Knopfloch verfehlt, der kommt mit dem Zuknöpfeln nicht zurande“, dieser Spruch stammt nicht etwa von einer genervten Kindergärtnerin, sondern von Goethe. Dass Graf Claudio (Pascal Gross) seine Adjustierung verfehlt, ist ein sicheres Zeichen für seine Verliebtheit in Hero (Swintha Gersthofer). Doch nicht die beiden sind die Hauptpersonen in Shakespeares „Viel Lärm um nichts“, seit Samstag im NÖ Landestheater in St. Pölten zu sehen, sondern Benedikt und Beatrice, die Ehefeinde, die einander beschimpfen, bevor sie einander in die Arme stürzen.

Burgschauspieler Roland Koch, geprägt von Andreas Kriegenburg und Andrea Breth, hat inszeniert und von seinen beiden Mentoren einiges mitgenommen für seine Interpretation. Gespielt wird im Sperrholz (Bühne: Hugo Gretler). Die Aufführung ist präzis durchkomponiert, überwiegend gut gespielt. Sie ist psychologisch stimmig und hat schrägen Humor, in dem immer auch eine Portion Düsternis und Grimm stecken.

Zum Schluss gab's ein paar Buhs

Die Herren kehren von einem Scharmützel heim, bei dem für sie vor allem interessant ist, dass kein Wichtiger aus der Gang gefallen ist. Nun kann man sich wieder getrost dem Feiern, Intrigieren und der Liebe hingeben. Bevor Claudio Hero nähertritt, vergewissert er sich, ob sie das einzige Kind des Gouverneurs von Messina, Leonato, ist, damit die Mitgift maximal ausfällt. Auch sonst ist dieser Kavalier ein Windhund. Als Heros Zofe Margaret (Marion Reiser) in Heros Brautkleid mit ihrem Lover Borachio (Imre Lichtenberger Bozoki) schmust, ist Claudio nur allzu schnell bereit, an einen Betrug seiner Braut zu glauben. Benedikt (Tobias Voigt) findet Beatrice (Anne Bennent) von Anfang an recht interessant, hätte sie nicht eine gar so scharfe Zunge. Entsetzt ist Benedikt aber vor allem darüber, dass Claudio, mit dem ihn wohl etwas mehr als Freundschaft verbindet, sich unters Ehejoch beugt.

Voigt und Bennent sind ein Paar, das nicht nur Leidenschaft zueinandertreibt, sondern auch die Angst übrig zu bleiben. Bennent, die große Rollen am Burgtheater gespielt hat, wirkt teilweise zu laut und exaltiert. Trotzdem ist ihre Beatrice überraschend, weil eben ein Charakter mit allerlei Facetten, viel Wut und Melancholie – und keine kecken Wortwitz versprühende Spielfigur. Bennents vitalem Engagement kann man sich trotz mancherlei Irritationen über allzu oft vor den Mund geschlagene Hände und irres Gelächter nicht entziehen. Gut möglich, dass Shakespeare, wie im Programmheft angedeutet, in der Beatrice seine Ehefrau Anne abgebildet hat, über die viel Abfälliges im Umlauf ist, die der große Dichter aber vielleicht bloß nicht zähmen konnte, weil sie eine starke Persönlichkeit war.

Moritz Vierboom ist großartig als Don John, ein desillusionierter Don Juan, ein trauriger Single, der nicht zuschauen kann, wie andere glücklich sind, und sich als Spaltpilz betätigt. Don Pedro, Prinz von Aragonien (Michael Scherff) ist hier anders als Benedikt der wahre verwilderte Junggeselle, ein Kerl, der seine feinen Manieren nur vortäuscht, in Wahrheit ist er ein verrohter Militär. Benno Ifland zeichnet frohgemut, später hoch dramatisch Gouverneur Leonato, der um die Ehre seiner Tochter bangt.

Musik spielt eine wichtige Rolle in dieser Aufführung vom Anfang mit Zitaten aus Shakespeare-Sonetten („To hear with eyes belongs to love's fine wit . . .) bis zum Schluss, wenn die Akteure lieber tanzen, als Don John für seine Gemeinheit zu bestrafen.

Eine herrliche Szene hat die Cellistin Rina Kaçinari, die das Ränkespiel aufdecken möchte, sich aber nicht verständigen kann, weil sie nur Albanisch spricht und schließlich mit dem Stachel des Cellos auf Übeltäter Borachio losgeht. Am Ende gab es, was rar ist in St. Pölten, Buhs. Die Besucher schienen zum Teil nicht begeistert von diesem Kunststück, das strengen Formwillen verrät, der jedoch nicht durchgehend greift.

Die Aufführung hat Längen, vor der Pause gibt es einen totalen Leerlauf. Dennoch ist es eine kluge Inszenierung, nicht gerade originell, dafür aber auch ohne Mätzchen, oberflächliche Aktualisierungen. Man spürt, wie fundiert sich Koch mit Shakespeare und seinen Interpretationsmöglichkeiten beschäftigt hat. Sehr gut, klar, doch poetisch ist die Übersetzung von Angela Schanelec.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2013)

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