Tschechien: Zeman will Regierung zu Fall bringen

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Gerade selbst gewählt agitiert der künftige tschechische Staatschef Miloš Zeman schon für eine vorgezogene Parlamentswahl. Seinen Sieg verdankt er der Angstmache vor Restitution an Vertriebene.

Prag. Auch in Zeiten des Internets gibt es sie bis heute in jedem tschechischen Dorf: die Lautsprecher des Dorffunks, die an jeder zweiten Laterne baumeln. Schnarrend und krächzend zerreißen sie die dörfliche Idylle. Garniert mit Blasmusik wird da den Leuten eröffnet, wer Geburtstag hat, wann sich der Schützenverein trifft, dass das Rasensprengen über Mittag zu unterbleiben hat, oder der Tierarzt mit seiner Tollwutspritze beim Dorfkrug auf die Hunde wartet. Man kann dem Dorffunk nicht ausweichen. Er plärrt so laut, dass dagegen auch keine dreifach verglasten Fenster ankommen.

Miloš Zeman erinnert an eine typische tschechische Dorffunkanlage. Keiner war im Wahlkampf um das Präsidentenamt so hyperpräsent wie er. Niemand konnte ihm ausweichen. Zeman kann ein ganzes Volk unterhalten. Bei jeder Gelegenheit brachte er seine teils schlüpfrigen Bonmots und Anekdoten aus einem übervollen Fundus an. Journalisten fuhr er so pausenlos wie lustvoll über den Mund.

Zeman verkündete dem Land in den zwei Wochen vor der Stichwahl, die er am Samstag mit 54,8 Prozent gegen seinen Kontrahenten Karel Schwarzenberg deutlich gewann, eine Dauerbotschaft: „Die tschechischen Politiker sind lausige Amateure. Der einzige Profi hier bin ich.“ Zeman hatte tatsächlich ein sehr professionelles Wahlkampfteam. Dem war vor der Stichwahl keine Lüge zu platt und zu hinterlistig, um sie nicht über den Gegenkandidaten, den Außenminister und böhmischen Adelsspross Schwarzenberg, zu verbreiten. Dessen Team muss sich häufig so gefühlt haben wie der Hase im Märchen, der vom Igel und dessen Frau ausgetrickst wird: Noch ehe eine Lüge als Lüge entlarvt werden konnte, war die nächste schon auf dem Markt.

Sudeten-Thema verfing

Glänzend manipulierte Zeman vor allem die Tschechen im Grenzgebiet, denen er einen gehörigen Schrecken einjagte, dass sie unter einem Präsidenten Schwarzenberg um ihr Häuschen fürchten müssten. Wolle der doch den Sudetendeutschen alles zurückgeben, was sie bei der Vertreibung nach dem Krieg verloren hatten. Die Botschaft verfing: Das Grenzland, in der ersten Wahlrunde neben der Hauptstadt Prag noch Schwarzenbergs Terrain, schwenkte in der Stichwahl massiv zum Zeman-Lager um.
Dazu gesellten sich allerorts die sozial Benachteiligten, die mit der Wahl Zemans der unbeliebten bürgerlichen Regierung – in der Schwarzenberg als Vizepremier sitzt – ordentlich eins auswischen wollten.

Das Links-rechts-Schema wurde ergänzt durch den Gegensatz von jungen und älteren Wählern. Dass Zeman bei den Jungen und Gebildeten nichts holen konnte, war ihm von Beginn an klar. So überließ er denn seinem Gegner auch weitgehend freiwillig die Internetgeneration, die sich für „Karel“ aufopferte. Bemerkenswert, dass Schwarzenberg trotz der teils üblen nationalistischen Kampagne seines Gegners auf 45 Prozent der Stimmen kam.

Zeman will sich mehr einmischen

Zeman hat seinen Sieg am Samstagabend sehr genossen. „Irgendwann werde ich mich mal bei meinen früheren sozialdemokratischen Mitstreitern bedanken, dass sie mich 2003 bei der Präsidentenwahl im Stich gelassen haben. Ich habe damit zehn Jahre Zeit gehabt, mich auf mein Comeback vorzubereiten. Und jetzt bin ich auf der Burg.“ Das klingt wie eine Drohung für die einstigen Genossen.

Vorerst aber will Zeman der bürgerlichen Regierung ans Fell. Die genieße keinerlei Vertrauen, weshalb er für schnelle Neuwahlen sei. Das passt zu seiner Ankündigung, sich weit mehr als seine Vorgänger Havel und Klaus in die Tagespolitik einmischen zu wollen.

Bis zu seinem Amtsantritt auf der Prager Burg Anfang März will sich Zeman jetzt aber erst einmal erholen, kündigte er an. Bis dahin also hat der Dorffunk Pause.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2013)

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