Sexismus: 45 Prozent der Deutschen für Rücktritt Brüderles

Rainer Brüderle(c) REUTERS (THOMAS PETER)
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Trotz seiner angeblichen frauenverachtenden Bemerkungen halten die Liberalen an ihrem Spitzenkandidaten Brüderle fest. 90 Prozent der Deutschen finden aber, Brüderle sollte sich für sein Benehmen entschuldigen.

Düsseldorf/Berlin/ ag./Red. Die deutschen Liberalen stellen sich zwar demonstrativ hinter ihren Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Rainer Brüderle. Doch den meisten Deutschen geht das Verhalten des FDP-Politikers, der eine Journalistin verbal belästigt haben soll, zu weit: 90 Prozent halten nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage für „Bild am Sonntag“ eine Entschuldigung für angemessen, sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen.

45 Prozent sprechen sich darin sogar für einen Rücktritt Brüderles aus – ebenso viele Befragte sehen dafür keinen Grund. 57 Prozent halten den von einer „Stern“-Journalistin beschriebenen Vorfall für skandalös. Nur jeder Vierte findet, dass es sich dabei um einen verzeihlichen Ausrutscher handelt.

Zur Erinnerung: Kurz nachdem Rainer Brüderle zum FDP-Spitzenkandidaten für die Wahl nominiert worden war, beschrieb die Journalistin Laura Himmelreich in einem Artikel eine Situation in einer Bar vor gut einem Jahr, bei der der Politiker auf ihre Brüste geschaut und gesagt haben soll: „Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.“ Dann soll er ihre Hand genommen, diese geküsst und gesagt haben: „Politiker verfallen doch allen Journalistinnen.“

Die sexistischen Zitate Brüderles sind von FDP-Vorstandsmitglied Wolfgang Kubicki indirekt bestätigt worden. Der Beitrag enthalte keine falschen Tatsachenbehauptungen, hat er gesagt. Die Empörung ist groß gewesen, der Vorfall hat in ganz Deutschland eine heftige Debatte über den alltäglichen Sexismus beim Umgang mit Frauen entfacht. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte angesichts der Sexismusvorwürfe „einen professionellen Umgang zwischen Politikern und Journalisten“.

 

FDP stärkt Brüderle den Rücken

Demonstrativ stärkt indes die FDP Brüderle den Rücken: „Wir begrüßen unseren Freund Rainer Brüderle, hinter dem wir stehen“, sagte Christian Lindner beim Neujahrsempfang der nordrhein-westfälischen Liberalen am Sonntag in Düsseldorf. Kein Wort verlor Lindner über die Sexismusvorwürfe.

Auch von den anderen Parteimitgliedern wurde Brüderle in Düsseldorf mit verständnisvollem Applaus und ermutigenden „Bravo“-Rufen begrüßt. Persönliche Solidaritätsbekundungen kamen von Außenminister Guido Westerwelle, früherer Parteichef der FDP: Er wisse auch aus persönlicher Erfahrung, „dass, wenn man sich als freier Demokrat an die Spitze stellt, es in einigen Redaktionsstuben wohl kein Pardon mehr gibt“, rief Minister Westerwelle seinen Parteigenossen zu. So entstünden „Zerrbilder in den Medien“, die man nicht durchgehen lassen“ dürfe.

Brüderle ging in seiner Rede auf die Affäre erst gar nicht ein. Der FDP-Fraktionschef im Bundestag war von FDP-Chef Philipp Rösler erst jüngst zum Spitzenkandidaten ernannt worden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.01.2013)


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