Mali: Sind die Franzosen in eine Falle getappt?

Mali Sind Franzosen eine
Mali Sind Franzosen eine(c) AP (Ghislain Mariette)
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Vor dem Einmarsch der Armee in Timbuktu zündeten die Islamisten zwei Bibliotheken an. Dann zogen sie sich zurück. Nach Kidal. Dort werden sie sich dem Kampf stellen – oder wieder spurlos verschwinden.

In Mali wird gefeiert. Nach Gao eroberten französische und malische Truppen Timbuktu, die zweite große Stadt im Norden des Landes. Auch diesmal waren die Islamisten kampflos abgezogen. Die Einwohner tanzten auf den Straßen, schlugen auf Trommeln und riefen vor Begeisterung: „Freiheit, Freiheit“ und „Es lebe Frankreich!“

Der Einmarsch in Timbuktu, dem seit Jahrhunderten legendären Ort am Rande der Sahara, hat jedoch einen bitteren Beigeschmack. Vor ihrem Abzug steckten die Islamisten noch einige Gebäude in Brand, darunter zwei Bibliotheken. In ihnen lagerte eine Sammlung einzigartiger, alter Manuskripte. Einige stammten aus dem 13. Jahrhundert. Sie waren in einem alten Lagerhaus und im Ahmed-Baba-Institut untergebracht, das aus Südafrika gesponsert war.

Die Vernichtung der unschätzbaren Sammlung ist keine Überraschung. Viele befürchteten dies, nachdem die radikalen Islamisten in Timbuktu über 300 Heiligengräber zerstört hatten.

Brutal und kampferfahren

Im Juni vertrieben die Islamisten die Bewegung für einen unabhängigen Tuareg-Staat Azawad (MNLA) aus Timbuktu, das sie im April im Zuge ihrer Rebellion gegen die Zentralregierung in Bamako eingenommen hatten. Kämpfer von al-Qaida im Maghreb (Aqim) unter dem Oberbefehl von Abdelhamid Abu Zeid wählten Timbuktu als ihren Standort.

Der Aqim-Kommandant ist berüchtigt für seine Brutalität. Er gilt als Verantwortlicher für zahlreiche Entführungen und Exekutionen von Europäern. Abu Zeid führte in Timbuktu die Scharia ein. Verstöße gegen sein islamisches Rechtsverständnis wurden hart bestraft. Rauchen, Alkohol, Musik und selbst Fernsehen oder Fußballspielen waren verboten, bei Zuwiderhandlung setzte es Schläge. Unverheiratete Liebespaare wurden gesteinigt, Dieben die Hand abgeschnitten. Für die Bewohner Timbuktus ist dieser Spuk nun erst einmal vorbei.

Die nächste Station für die französischen und malischen Truppen ist Kidal. Es ist die letzte Stadt, die von den islamistischen Rebellen gehalten wird. Hierher sollen sich alle Kämpfer von Aqim, aber auch der beiden anderen Gruppen, Ansar al-Dine und der Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika (Mujao), zurückgezogen haben. In den Bergen um Kidal liegen umfangreiche Höhlensysteme. Hier soll sich die logistische Basis der Islamisten befinden. Unterirdisch versteckt sind Benzin, Waffen, Generatoren, Medizin und Nahrungsmittel. Die Frage ist, ob die Rebellen in Kidal zum ersten Mal kämpfen werden. Das bergige Terrain kann ihnen dabei zu Hilfe kommen. In einer direkten Konfrontation in der Savanne sind sie indes chancenlos.

Das mussten sie bereits in Konna erkennen. Diesen Ort hatten sie vor zwei Wochen eingenommen und damit die Intervention Frankreichs provoziert. Die Bomben französischer Kampfjets vernichteten Stellungen, Fahrzeuge sowie Munitions- und Benzinvorräte der Islamisten binnen weniger Tage. Für die Rebellenführer dürfte das jedoch vorher klar gewesen sein.

Sie sind alle kampferfahren. Aqim-Kommandant Mokhtar Belmokhtar, der für den Anschlag auf die algerische Gasanlage In Amenas verantwortlich sein soll, hat in Afghanistan mit den Taliban gekämpft. Abu Zeid war auf Seiten der Islamischen Heilsfront im algerischen Bürgerkrieg aktiv. Iyad ag Ghaly, der Führer von Ansar al-Dine, beteiligte sich an mehreren Tuareg-Rebellionen seit Anfang der 1980er-Jahre. Ebenso der Militärchef von Mujao, Omar Ould Hamaha.

Die Rebellen wissen, was sie tun

Es ist unwahrscheinlich, dass diese Berufsterroristen nicht wissen, was sie tun. Es könnte sein, dass sie mit der Besetzung der Stadt Konna die Intervention Frankreichs provozieren wollten. In der Nähe von Konna lagen der Flughafen und die malische Militärgarnison von Sevare. Frankreich musste eingreifen, um einen Vorstoß auf die Hauptstadt Bamako zu verhindern.

Sind die Franzosen in eine Falle getappt? Werden die Islamisten einen Guerillakrieg in Mali starten, der an Afghanistan erinnert? Werden Aqim und ihre Verbündeten ihren Heiligen Krieg gegen Frankreich auch auf Paris und andere europäische Städte ausweiten? Der brutale Angriff auf die Gasanlagen von Amenas hat gezeigt: Die Islamisten planen Monate im Voraus.

Die Befreiung Gaos und Timbuktus bedeutet für die Bewohner sehr viel. Militärisch aber sehr wenig. Erst in Kidal könnte ein entscheidender Kampf stattfinden. Vorausgesetzt, die Islamisten verschwinden nicht auch dort spurlos von der Bildfläche.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2013)

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