EU: Dänen geht Camerons Sonderweg zu weit

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EUPolitik Daenen geht Camerons(c) EPA (LAURENT GILLIERON)
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Absprung von der England-Fähre: Lange hatte Kopenhagen ein ähnlich distanziertes Verhältnis zur EU wie London. Doch jetzt will die Regierung eher in Kerneuropa mitmischen als abseits zu stehen.

Kopenhagen. Seit sie vor 40 Jahren gemeinsam der damaligen EWG beigetreten sind, hat eine große Portion Europa-Skepsis Dänen und Briten geeint. Doch jetzt verweigert Kopenhagen dem britischen Premier David Cameron die Gefolgschaft bei seinem Kreuzzug gegen die Brüsseler Übermacht. „Dänemark springt nicht auf die England-Fähre auf“, versichert der sozialdemokratische Europaminister Nikolai Wammen. „Nach Europa nehmen wir lieber den Fehmarn-Tunnel“, ergänzt die liberale EU-Sprecherin Lykke Friis unter Anspielung auf das geplante Bauwerk, das Dänemark mit Deutschland verbinden soll.

Als die Dänen in einer Volksabstimmung 1972 Ja zum Beitritt sagten, war der dänische Speck fürs englische Frühstück das wichtigste Argument: Der Schweinefleischexport nach Großbritannien war Dänemarks größte Einnahmequelle, die nicht durch Zollschranken behindert werden durfte, wenn die Briten der EWG beitreten sollten und die Dänen nicht. Seither waren beide Länder Europäer mit dem Verstand, nicht mit dem Herzen. Beide sind dem Euro ferngeblieben, beide haben ihre Vorbehalte gegen große Teile der EU-Kooperation. Doch über die Jahrzehnte versuchten dänische Regierungen aller Couleurs, ihr Land näher an Kerneuropa heranzuführen – zwar immer wieder gebremst durch Referenden, die Dänemark auf Distanz zwangen, aber doch begleitet von wachsendem Verständnis für die europäische Zusammenarbeit. Wo nun laut einem „Eurobarometer“ 54 Prozent der Briten sagen, ihr Land wäre ohne EU bessergestellt, meinen dies nur 21 Prozent der Dänen.

So stellt die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt nun fest, dass die Alliierten „verschiedene Wege“ gewählt haben. „Wir dienen dänischen Interessen am besten, wenn wir so nahe beim Kern bleiben wie möglich und dort konstruktiv beitragen. Die EU wird nicht stärker, wenn sich jedes Land seine Mitgliedschaft maßschneidern kann.“ Doch sie weiß, dass die kommende Debatte über britische Sonderlösungen unweigerlich auch in Dänemark Wellen schlagen wird. Bisher fordert nur die rechte, EU-skeptische Dänische Volkspartei offen, dass auch die Dänen die Möglichkeit bekommen sollten, über einen Austritt abzustimmen. Wenn es nun zu einem Schachern käme, bei dem jedes EU-Land versucht, das günstigste Mitgliedschaftsabkommen herauszuschlagen, wäre dies ein „gesunder Wettbewerb“, meint Morten Messerschmidt, EU-Parlamentarier der DVP.

Doch auch im traditionell EU-freundlichen bürgerlichen Lager wachse die „Bekümmernis“ über die EU, räumt die konservative Ex-Außenministerin Lene Espersen ein und klammert sich daran, dass ihr Parteifreund Cameron die EU ja nicht verlassen wolle.

Thorning-Schmidt auf Merkel-Kurs

Für die Mitte-links-Regierung ist Großbritannien auf dem falschen Kurs, Thorning-Schmidt hat während ihrer EU-Präsidentschaft 2012 vor allem die Nähe zu Angela Merkel gesucht. Doch auch ihre Europastrategie ist nun herausgefordert. Sie plante noch für diese, bis 2015 laufende, Legislaturperiode ein Referendum zur Abschaffung der dänischen Vorbehalte in der Justiz- und Verteidigungspolitik, die die Zusammenarbeit in der Kriminalitätsbekämpfung oder bei Militäreinsätzen erschweren. Doch nun riskiert sie, dass die Argumente dafür in der Debatte über das britische Modell ertrinken, weshalb die dänische Abstimmung nur „sehr bald oder sehr lange nicht“ stattfinden könne, meint die EU-Expertin Marlene Wind.

Auch aus Schweden kann Cameron nicht auf Unterstützung hoffen. Zwar war Finanzminister Anders Borg der erste Verbündete Londons im Kampf gegen Bankenunion und Finanztransaktionssteuer, und Ministerpräsident Frederik Reinfeldt sagt, es sei von „vitalem Interesse“ für Schweden, was Großbritannien tue. Doch ein Selbstbedienungsmodell nach britischen Vorstellungen sei nicht nach schwedischem Geschmack.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.01.2013)

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