Banken: Spareinlagen sind doch nicht sicher

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Island braucht ausländische Sparer nicht zu entschädigen, sagt das Efta-Gericht. Der Präzedenzfall zeigt, dass der staatliche Sparerschutz im Ernstfall wirkungslos sein kann.

Wien. Als die Finanzkrise im Herbst 2008 nach dem Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers ihren Höhepunkt erreichte, hoben auch in Österreich viele Sparer ihre Guthaben bei den Banken ab. Um einen „Run“ auf die Finanzinstitute zu verhindern, erklärte der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), dass alle Spareinlagen zu 100 Prozent abgesichert seien. Experten war damals klar, dass der Staat im Ernstfall nie alle Bankkunden entschädigen kann, denn das Volumen der Spareinlagen liegt in Österreich bei über 150 Milliarden Euro.

Staatshaftung hat Grenzen

Das jetzige Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Freihandelszone Efta zeigt, dass der gesetzlich verankerte Sparerschutz bei einer großen Finanzkrise wirkungslos ist. Anlass für den Richterspruch war eine Klage gegen Island. Das kleine Land gehört zwar nicht zur Europäischen Union, hat aber vertraglich zugesagt, sich an die Vorgaben des gemeinsamen europäischen Marktes zu halten.

Vor der Finanzkrise sammelten isländische Banken über Online-Töchter in ganz Europa Spareinlagen ein und zahlten dafür hohe Zinsen. Sie warben damit, dass ein Gutteil der Gelder über das isländische Einlagensicherungssystem abgesichert sei. Im Zuge der Krise schlitterten die meisten isländischen Großbanken in die Pleite. Die Regierung in Reykjavik entschädigte nur isländische Sparer. Ausländische Kunden gingen dagegen meist leer aus.

Island hat 330.000 Einwohner. Das kleine Land hätte unmöglich auch für ausländische Sparer einspringen können. Denn die Forderungen von 3,8 Milliarden Euro entsprechen etwa 25 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts Islands. Großbritannien und die Niederlande klagten dagegen beim Efta-Gericht in Luxemburg. Beide Länder entschädigten die Kunden der isländischen Banken selbst. Sie wollten das Geld vom isländischen Staat zurückhaben.

Das Efta-Gericht hat nun erklärt, dass ein Staat grundsätzlich nicht einspringen muss, wenn das nationale Einlagensicherungssystem bei einer großen Finanzkrise an seine Grenzen stößt. Das Urteil hat weitreichende Auswirkungen. Denn erstmals stellte ein internationales Gericht klar, dass die gesetzlichen Einlagensicherungssysteme in Europa im Ernstfall wirkungslos sind. In Österreich und in den meisten EU-Ländern sind laut Gesetz pro Sparer und Institut Einlagen von bis zu 100.000 Euro abgesichert. Im Pleitefall müssen zunächst die anderen Banken einspringen. Reicht das nicht aus, kommt der Staat zum Handkuss.

Bislang kam die Einlagensicherung in Österreich nur bei sehr kleinen Insolvenzen von Banken (wie der Grazer BHI oder der Diskontbank) zum Zug. Würde eine Krise mehrere Großbanken in den Abgrund reißen, wäre das System genauso überfordert wie in Island.

Reform der Einlagensicherung

In der EU gibt es Überlegungen, neben der Bankenaufsicht auch die Einlagensicherung zu vereinheitlichen. Doch das scheitert am Widerstand Deutschlands. Die Regierung in Berlin weigert sich, künftig für Sparer in Griechenland und Spanien geradezustehen.

Nach Ansicht von Kritikern fördert die jetzige Form der Einlagensicherung den „moral hazard“. Sparer können ihre Spareinlagen zu kleinen Banken mit hohen Zinsen tragen – ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Denn im Pleitefall müssen die anderen Institute und später der Staat für den Schaden aufkommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2013)

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