Jetzt blühen dem Schuhhersteller 10.000 Euro Zwangsstrafe. Er bleibt bei seinen Forderungen. Staudinger befindet sich derzeit auf Afrika-Reise.
Wien/Es. Nächster Akt im Schaukampf zwischen dem Waldviertler Schuhhersteller Heini Staudinger und der Finanzmarktaufsicht: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Staudingers Ansuchen um aufschiebende Wirkung für den FMA-Bescheid nicht stattgegeben. Das heißt, Staudinger ist derzeit rechtskräftig dazu verpflichtet, die drei Mio. Euro, die er mit seinem Sparverein von privaten Geldgebern eingesammelt hat, zurückzuzahlen oder eine legale Form der Finanzierung zu wählen. Staudinger hat sich bisher geweigert, von seinem Finanzierungsmodell Abstand zu nehmen. (Zur Finanzierung seiner Waldviertler Schuhfirma nimmt Staudinger von Privatanlegern Darlehen entgegen und zahlt dafür vier Prozent Zinsen.)
Die FMA wird nun eine Zwangsstrafe in der Höhe von 10.000 Euro über Staudinger verhängen. „Wenn er sich weigert zu zahlen, kommt der Exekutor, und weitere Strafen werden folgen“, erläutert der FMA-Sprecher Klaus Grubelnik das weitere Prozedere.
Staudinger auf Reise in Tansania Staudinger befindet sich derzeit auf Afrika-Reise bei von ihm unterstützten Spitälern in Tansania. Sein Bruder Karl Staudinger, als Jurist mit der verfassungsrechtlichen Seite des Falles betraut, zeigte sich über die Entscheidung überrascht. Man habe argumentiert, dass die FMA sich in Fehleinschätzung der Rechtslage das Recht herausnehme, als mögliche Maßnahme die Firma zu schließen. „Wir haben gedacht, das ist die ultimative Keule. Aber in der öffentlichen Stellungnahme des VfGHs ist davon überhaupt nicht die Rede.“
Trotzdem sei man gelassen. Staudinger bleibe bei seiner Weigerung, auf die Forderungen der FMA einzugehen und werde zur Not auch ins Gefängnis gehen.
So schlimm muss es aber nicht kommen. Der VfGH hat nämlich in der Sache selbst noch nicht entschieden. Sollte Staudinger letztendlich doch Recht bekommen, dann werden ihm, das bestätigen Grubelnik und VfGH-Sprecher Christian Neuwirth, bis dato freiwillig oder unfreiwillig bezahlte Strafen rückerstattet.
Mehr als 11.000 Unterschriften haben der "Waldviertler“-Schuhproduzent Heini Staudinger und sein Bruder Karl - unterstützt von "Wutbürger" Roland Düringer - an Parlamentspräsidentin Barbara Prammer übergeben. Sie wollen für ihr alternatives "Bürgerfinanzierungsmodell" parlamentarischen Druck aufbauen. von Martin Deutsch und Stefanie Kompatscher Martin Deutsch An die 500 Demonstranten aller Altersgruppen haben sich Freitagmittag bei kalten Temperaturen und blauem Himmel vor dem Parlament versammelt, um dem Schuhproduzenten beizustehen. APA-FOTO: HERBERT PFARRHOFER Zur Vorgeschichte: Im Jahr 1999 beschließt die Hausbank der Waldviertler Schuhwerkstatt, die Kreditlinie des Unternehmens zu kürzen. Heini Staudinger holt sich das notwendige frische Kapital von Freunden und Kunden. Als Gegenleistung erhalten sie vier Prozent Zinsen. Drei Millionen Euro hat er gesammelt, als die Finanzmarktaufsicht (FMA) auf die Schuhfabrik aufmerksam wird ... Waldviertler Schuhe go Parliament: Roland Düringer, Karl und Heini Staudinger mit ihren Waldviertlern im Vorzimmer von Parlamentspräsidentin Prammer Martin Deutsch ... Die Behörde informiert Staudinger, dass sein Finanzierungsmodell einer Bankkonzession bedarf. Sie fordert ihn auf, das Geld an seine Besitzer zurückzuzahlen oder die Rechtsform der Firma zu ändern. Staudinger weigert sich und kämpft seitdem für sein Finanzierungsmodell. Auch andere Kleinunternehmer und NGOs stehen vor ähnlichen Problemen wie Staudinger. Übergabe der gesammelten Unterschriften an Barbara Prammer Martin Deutsch "Die Banken glauben, sie haben das Monopol auf unser Geld“, wettert Staudinger am Freitag vor seinen Anhängern gegen das bestehende System. Er erinnert daran, dass die Banken "Milliarden versenkt" hätten und fragte in Richtung der Aufsichtsbehörde: "FMA, wo ist das Geld?" Martin Deutsch Einer, der sich ähnliche Fragen stellt, ist Josef Trimborn. Er verteilt Sticker und stimmt immer wieder "Wir sind das Volk"-Sprechchöre an. Trimborn will "gegen die Übermacht der Banken“ protestieren. Das Motto der Veranstaltung "Bürgerrecht statt Bankenrecht" komme im sehr entgegen. Kleine und mittlere Traditionsunternehmen, die in Österreich verankert sind, müssten gestärkt werden ... Martin Deutsch ... Heini Staudinger sei nicht so gierig und nicht so profitorientiert wie andere Unternehmer – das mache ihn sympathisch, meint Trimborn - der übrigens selbst zwei Paar Waldviertler Schuhe besitzt. Und die würden halten, was sie versprechen. Auch wenn die Waldviertler Werkstätten die größte Solaranlage im Waldviertel betreiben: Ohne Dieselgenerator geht es auch nicht Martin Deutsch Der IT-Angestellte Christian Brantner vermutet, dass „alles auf einen großen Konflikt hinausläuft“, dass die Situation "eskaliert“. Schließlich gehe es um viel mehr als den Fall Waldviertler gegen Finanzmarktaufsicht. Er sei zwar nicht direkt betroffen, möchte aber die Bürgerinitiative unterstützen. Martin Deutsch "Ich bin eine Wutbürgerin", sagt die 64-jährige Helga Endl aus Wien. Sie ist zum ersten Mal auf einer Demonstration und freut sich, dass sich „endlich etwas bewegt“. Vom "Heini" – wie die meisten Sympathisanten den Waldviertler Schuhunternehmer Staudinger nennen – hält sie sehr viel. "Einer soll dem anderen helfen", so Endl. Martin Deutsch Diese Schüler von der Gartenbauschule HBLFA Schönbrunn sind gekommen, "damit sich etwas bei der Finanzierung ändert". Aus seiner Sympathie für die Waldviertler Schuhe macht Felix Kofler kein Geheimnis. Martin Deutsch Georg Herko, der in der Kfz-Branche tätig, bewundert den Mut von Unternehmern wie Staudinger. Er selbst habe alle Prüfungen für die Selbstständigkeit geschafft, sei aber dann von den Banken abgeschreckt worden. "Industrie und Banken haben sich verbündet“, meint Herko. Nun müsse man endlich die Finanzierung von Klein- und Mittelunternehmern erleichtern. Martin Deutsch Auch der Finanzsprecher der Grünen, Werner Kogler, hat sich unter die Demonstranten gemischt. "Heini Staudinger und GEA werden schikaniert, während bei den Milliardenverlusten der Problembanken die Aufsicht versagt hat", steht auf den Flyern, die er verteilt. "Mit dem Geld, das in die Hypo und Kommunalkredit gesteckt wurde, könnte man tausende Projekte wie jenes von Staudinger finanzieren", sagt er zu DiePresse.com. Martin Deutsch Für viele ein Highlight ist der Auftritt von Kabarettist und "Wutbürger" Roland Düringer, der laut den Veranstaltern "gemeinsam mit dem Dalai Lama zu den bekanntesten Waldviertler-Trägern zählt". Er kritisiert viel mehr, als nur die Banken ... Martin Deutsch ... Ärzte und Apotheken würden viele krank machen, "Zahlen in den Computer eintippen ist nichts Reales“ - und wir würden von klein auf immer nur "hören, auf andere zu hören". "Eigenverantwortung", so Düringer, sei das Gebot der Stunde. Ronald Zak/dapd Dass es sich auf keinen Fall um eine Marketingveranstaltung handeln soll, betonen die Veranstalter mehrmals - genauso wird aber auch herausgestrichen, wie wichtig das Unternehmen für die Region sei. Der Schremser Bürgermeister Reinhard Österreicher (SPÖ) weist in seiner Ansprache auf "die sicheren Arbeitsplätze für unsere Kinder und Enkelkinder hin", eine Mitarbeiterin schwärmt von den Arbeitsbedingungen. Martin Deutsch Für Aufregung sorgt ein Polizeieinsatz am Rande der Veranstaltung - und zwar gegen "Weltenwanderer" Gregor Sieböck, der von Schrems gemeinsam mit 20 Begleitern 160 Kilometer nach Wien wanderte – natürlich mit Waldviertler Schuhwerk ausgestattet. Vor der Protestkundgebung wollte er persönlich die FMA-Führung zu der Veranstaltung einladen, scheiterte aber am Sicherheitsdienst der Behörde. Sein Wanderstock sei als "Terrorwaffe" eingestuft worden. Martin Deutsch Die Demonstranten sind dann laut Sieböck von der Wiener Sondereinheit WEGA auf dem Weg zum Parlament angehalten worden. Die Polizei soll von einem "Anti-Terror-Einsatz“ Einsatz gesprochen haben. Diese dementiert das. Ein FMA-Sprecher erklärte der APA: "Jemand hat mit einem Stock eine Türe in unserem Eingangsbereich blockiert, um diese offen zu halten". Daher habe man die Polizei gerufen. Sieböck fragt sich auf der Kundgebung, ob man künftig auch so handeln wird, wenn der Nikolaus mit seinem Stab anklopft. Martin Deutsch ''Bürgerrecht statt Bankenrecht'' ("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2013)
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