Austroliberalismus 2013: Ein Überblick

(c) APA/ Ulrich Schnarr
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20 Jahre nach Gründung des Liberalen Forums existieren mehr „liberale“ Parteien als je zuvor. „Die Presse“ analysiert das LIF, Neos, das Team Stronach, das BZÖ und bewertet deren Chancen.

Liberales Forum: „Geläuterte“ Pioniere

Ja, es gibt das Liberale Forum noch – allerdings ist es auf circa 700 Mitglieder geschrumpft. „Allein bei einer Wahl anzutreten, halte ich nicht für sinnvoll“, sagt Parteivorsitzende Angelika Mlinar. Die Krux des LIF sei, dass man einerseits klein sei, andererseits als etablierte Altpartei gelte – „die Menschen wollen aber etwas Neues“. Mlinar hat intern durchgesetzt, das LIF für Bündnisse zu öffnen. Schon länger laufen Verhandlungen über einen Kooperationsvertrag mit der neuen liberalen Partei Neos. Mitte März soll er auf beiden Parteitagen abgesegnet werden und dem LIF einige Listenplätze für die Nationalratswahl zusichern. Die Jungen Liberalen (JuLis) sind da schon weiter: Sie sind über Doppelmitgliedschaften mit Neos sozusagen „fusioniert“.

• Wirtschaft. Wirtschaftsliberalismus spielt im LIF inzwischen eine wichtigere Rolle als Gesellschaftsliberalismus. Auch weil man gelernt habe, dass im Wahlkampf Forderungen wie „Steuerquote senken“, „Parteibuchwirtschaft abschaffen“ besser funktionieren als „wichtige, aber letztlich intellektuelle Debatten über die Trennung von Kirche und Staat“, so Mlinar. Bei den konkreten wirtschaftlichen Forderungen stimme man mit Neos zu 90 Prozent überein.

• Gesellschaft. Hier gibt es mehr Unterschiede: Das LIF bleibt bei der Forderung, die Ehe für Homosexuelle zu öffnen, Neos will nur eine rechtliche Gleichstellung.
• Chancen. Siehe Neos. Das Ziel wird hier aber bescheidener gesteckt: Einzug in den Nationalrat. Die LIF-Kooperation erhöht die Chancen für das Bündnis insofern, als das LIF Zugang zu treuen Wahlkampf-Finanziers (Hans-Peter Haselsteiner) hat.

Neos: „Do it yourself“- Liberalismus

Neos ist, kurz gesagt, das, was bisher von der „Mutbürger“-Debatte übrig geblieben ist. In Konkurrenz zum Team Stronach versucht sich die schwarz-grün-liberale, klar pro-europäische Partei rund um den Vorarlberger Matthias Strolz ebenfalls als „neue Politik aus der Mitte der Gesellschaft“ zu positionieren. Tatsächlich spielt Bürgerpartizipation auch eine wesentliche Rolle: Diese Woche starteten offene Vorwahlen. Jeder kann sich – nach einem Hearing-Konvent – der Wahl stellen, jeder stimmberechtigte Österreicher darf wählen (sofern er, wie bei den französischen Sozialdemokraten, einen Unkostenbeitrag von zehn Euro zahlt).

• Wirtschaft. Man fordert die Abschaffung der Pflichmitgliedschaft bei den Kammern, tritt für Steuersenkungen ein und steht Privatisierungen positiv gegenüber – auch bei der Trinkwasserversorgung dürfe man strategische, private Partner nicht ausschließen, heißt es. Gleichzeitig ist man für eine geringe europaweite Finanztransaktionssteuer. Bei den Pensionen regt man einen auf fünf Jahre befristeten Solidarbeitrag von Pensionisten an, wenn diese mehr als das 1,5-fache der ASVG-Höchstpension beziehen.

• Gesellschaft. Christlich-sozial trifft auf liberal. Man ist für einen freien Zugang für Asylwerber zum Arbeitsmarkt, Autonomie im Bildungswesen, ein Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Die Ehe selbst bleibt heterosexuellen Paaren vorbehalten.

• Chancen. Gering, konkrete Meinungsumfragen fehlen allerdings. Die Partei selbst nennt „zehn Prozent“ als Ziel. Probleme bereitet das geplante Wahlkampfbudget von 500.000 Euro: Die erhofften Großsponsoren aus der Wirtschaft lassen noch aus.

BZÖ: Rechts- oder möchtegernliberal?

Josef Bucher wäre gern der Chef einer rechtsliberalen Partei. Seit Jörg Haiders Tod versucht er, dem BZÖ diese Etikette zu verpassen. Mit Kollegen wie dem Nationalkonservativen Ewald Stadler und anderen vormaligen FPÖ-Hardlinern wie Peter Westenthaler und Gerald Grosz mangelt es dem weltanschaulichen Verwandlungsprojekt dann aber doch an der nötigen Authentizität. Hinzu kommt, dass auch Bucher in seinem liberalen Selbstverständnis nicht immer widerspruchsfrei ist.

• Wirtschaft.Das BZÖ fordert zwar eine „Fair Tax“ mit einem Einheitssteuersatz von 40 Prozent. Es will die Staatsverwaltung reformieren, die Lohnnebenkosten senken, die Mindestsicherung durch ein leistungsorientiertes Bürgergeld ersetzen und ein verzinstes Pensionskonto einführen. Allerdings hält es auch an der Hacklerregelung fest: „45 Beitragsjahre sind genug“, sagt nicht nur Werner Faymann, sondern auch Josef Bucher.

• Gesellschaft. In der Kärntner Ortstafeldebatte hatte man zuweilen den Eindruck, das BZÖ wolle die Freiheitlichen rechts überholen. Auch in der Sicherheits- bzw. Asylpolitik ist die Abgrenzung zur FPÖ nur selten auf den ersten Blick erkennbar. In Grundrechtsfragen (z.B. Vorratsdatenspeicherung) ist das BZÖ jedoch verlässlich aufseiten des Bürgers. Insgesamt lenkt Bucher das Hauptaugenmerk aber auf die Wirtschaftspolitik.

• Chancen. Zuletzt häuften sich die Probleme. Fünf Abgeordnete wechselten zur Stronach-Partei, die dem BZÖ inhaltlich zum Verwechseln ähnlich ist. Und alle Umfragen bescheinigen dem Bündnis, dass es den Wiedereinzug in den Nationalrat verpassen wird – nicht zuletzt dank der neuen Konkurrenz.

Stronach: Liberal und sozial(demokratisch)

Die Einordnung dieser neuen Partei, die sich nach ihrem Gründer, Geldgeber und Chefideologen Team Stronach nennt, fällt nicht gerade leicht: Weltanschaulich handelt es sich um eine Spielart des amerikanischen Wirtschaftsliberalismus mit sozialdemokratischen und nationalen Einsprengseln.

• Wirtschaft. Wie das BZÖ propagiert auch Frank Stronach eine Einheitssteuer, die er ebenso „Fair Tax“ nennt. Schlagworte wie Schulden- und Bürokratieabbau, Wettbewerb im Gesundheitssystem, Mitarbeiterbeteiligung oder Pensionskonto entsprechen durchaus der liberalen Ideologie. Allerdings sucht Stronachs Währungspolitik ihresgleichen vergeblich: Jedes Euroland soll einen eigenen Euro haben, als Richtwert dient der stärkste unter den Euro – der deutsche. Klingt mehr nach FPÖ als nach FDP.

• Gesellschaft. Der Milliardär betont gern seine solidarische Seite, die eher sozialdemokratisch anmutet: Armut sei eine Schande für die Gesellschaft. Sein Heilmittel hat Stronach bis jetzt aber erfolgreich verheimlicht. Ansonsten? Für ein Berufsheer. Für eine geregelte Zuwanderung. Für mehr Polizeipräsenz in der Nacht. Umwelt ist wichtig, Landwirtschaft auch. Näheres wird man Ende Februar erfahren, wenn das Parteiprogramm fertig ist.

• Chancen. Auffällig ist, dass die Zustimmung zum Team Stronach immer dann abnimmt, wenn der Chef nicht präsent (also in Kanada) ist. Der Nationalratseinzug scheint seiner Partei aus heutiger Sicht aber sicher: In Umfragen liegt man zwischen sieben und zwölf Prozent – mit Potenzial nach oben.

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