Ein Zuwanderungsland und seine Grenzen

Wer integrationswillig ist, soll leichter und schneller als bisher Österreicher werden dürfen. Wer es nicht ist, der wird es eben nicht so rasch.

Österreich ist ein Zuwanderungsland. Das ist schlicht Realität. Insbesondere in Wien. Wer hier eine Schule betritt, einen Friseursalon oder eine Boutique, eines der schickeren Cafés in der Innenstadt oder eines der schäbigeren in den Außenbezirken, der wird auf Menschen mit fremdländischen Namen stoßen bzw. von diesen bedient werden. Menschen, die neben Deutsch auch noch Serbisch, Türkisch oder eine andere Sprache sprechen. 38,8 Prozent der Wiener haben laut den zuletzt erhobenen Daten der Statistik Austria Migrationshintergrund. Tendenz steigend.

Viele von ihnen haben schon die österreichische Staatsbürgerschaft, viele noch nicht. Die Regierung plant nun, den Zugang zur Staatsbürgerschaftsurkunde zu erleichtern. Derzeit kann Österreicher werden, wer zehn Jahre im Land lebt, unbescholten ist, entsprechende Deutschkenntnisse und den Staatsbürgerschaftstest erfolgreich absolviert hat. Künftig sollen Zuwanderer schon nach sechs Jahren Staatsbürger werden.

Nach anfänglichen Dissonanzen zeichnet sich zwischen SPÖ und ÖVP folgender Kompromiss ab: Eine Einbürgerung nach sechs Jahren ist möglich, wenn man entweder Deutschkenntnisse auf sogenanntem B2-Niveau (ist gleich problemlose Kommunikation im Alltag) hat oder sich drei Jahre lang ehrenamtlich engagiert hat, dann reicht sprachlich auch B1-Niveau (ist gleich angemessene Kommunikation im Alltag).

In Letzterem, dem ehrenamtlichen Engagement, schimmert ein ÖVP-Propagandaschlager der jüngeren Vergangenheit durch: die von Andreas Khol propagierte Bürgergesellschaft, die nun von Sebastian Kurz mit anderen Mitteln fortgeführt ist. So nach dem Motto: Ein Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr in St. Ägyd am Hinterwald ist für einen jungen Kosovaren schon die halbe Miete. Damit auch die SPÖ zufrieden sein kann, steht als Alternative zum ehrenamtlichen Engagement auch noch ein „Beruf im Sozialbereich“ im Entwurf.

Auch wenn das nun also wieder nach einem typischen rot-schwarzen Kompromiss klingt: Es gab schon schlechtere.

Wer integrationswillig ist, der soll leichter und schneller als bisher Österreicher werden dürfen. Wer es nicht ist, der wird es eben nicht so rasch.

Doch wie lässt sich Integrationswilligkeit messen? In erster Linie wohl daran, dass jemand bereit ist, die deutsche Sprache zu erlernen. Je besser, desto besser. In weiterer Folge, dass er oder sie einer geregelten Arbeit nachgeht, sich an die Gesetze hält und sich auch mit den Sitten und Gebräuchen dieses Landes zumindest vertraut macht – ohne die eigenen aufgeben zu müssen. Ob nun jemand Weihnachten feiert, kein Schweinefleisch isst oder in der U-Bahn mit seinem Gegenüber Mazedonisch spricht, kann kein Kriterium sein.

Österreich ist ein Land mit Migrationshintergrund. Das war dieser Staat in seinen vielfältigen Ausformungen an der Grenze zwischen germanischem und slawischem Kulturkreis schon immer. Aber die Republik muss sich auch aussuchen können, wen sie aufnimmt und letztlich zum Staatsbürger macht. Mit eindeutigen Kriterien und fairer Beurteilung. Unter Bedachtnahme auf die Notwendigkeit von Zuwanderung einerseits und auf die Grenzen des Zumutbaren für die alteingesessene Bevölkerung andererseits.

Die wochenlange Besetzung von Kirchen – unter Anleitung von NGOs, die in erster Linie ihre eigenen politischen Interessen verfolgen – gehört beispielsweise nicht dazu. Die Grenze hierbei ist eindeutig überschritten.

Sonst steht es selbstverständlich auch jedem Asylwerber, dessen Antrag angenommen wurde, frei, sich unter Einhaltung obiger Kriterien um die österreichische Staatsbürgerschaft zu bemühen. Wenn er sie erfüllt, wird man ihm den roten Pass mit dem Hammer-und-Sichel-Adler nicht verwehren.

Zumal wissenschaftliche Studien der OECD belegen, was ohnehin logisch erscheint: Zuwanderer, die die Staatsbürgerschaft erhalten haben, identifizieren sich deutlich stärker mit dem Staat als solche, die sie nicht haben. Auch das spricht für eine Vergabe schon nach sechs Jahren.

E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2013)

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