Schwedenbomben waren früher einfach besser

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Seitdem der Schwedenbomben-Hersteller Niemetz insolvent ist, beklagen Tausende das Verschwinden der Süßspeise. Warum erst jetzt?

Über 17.000 Unterstützer („Likes“) gab es am Dienstag bereits für die Facebook-Gruppe „Rettet die Schwedenbombe“. Eine beachtliche Zahl für eine Gruppe, die sich erst am Sonntag – nach Bekanntwerden der Insolvenz des Herstellers Niemetz – gegründet hat. Seither wird in dem sozialen Netzwerk zu Bomben-Großeinkäufen aufgerufen und beklagt, dass die Welt ohne Schwedenbomben nicht mehr dieselbe sei. Da stellt sich eine Frage: Warum erst jetzt?

Um fast 23 Prozent ging der Absatz bei Niemetz im Vorjahr zurück. Hätten alle 17.000 Facebook-Unterstützer die Schwedenbomben wirklich so intensiv gekauft, wie sie nun angeblich vermisst werden – die Situation sähe anders aus. Handelsexperten erklären uns nun aber: Die Kunden würden in Wirklichkeit einfach vermehrt zu gesünderen und weniger zucker- und fetthaltigen Süßigkeiten greifen. Die Schwedenbomben sind also ein Produkt, das heute einfach nicht mehr so stark gewünscht wird. Warum will dann aber dennoch niemand, dass sie vom Markt verschwinden?

Die Erklärung darüber ist in den Aussagen der diversen Interviews „auf der Straße“ zu finden. Deren Kernaussage: „Schwedenbomben habe ich ja schon als Kind so gerne gegessen.“

Diese Verklärung der Kindheitserinnerungen ist in der Psychologie nichts Unbekanntes. So haben Studien ergeben, dass ältere Menschen sich zu 30 Prozent an keine einzige negative Erfahrung aus der Kindheit erinnern können. Die positiven Erfahrungen aus dieser Zeit – etwa Süßigkeiten – werden indes richtiggehend glorifiziert.

Dass Unternehmen sich auf diese Glorifizierung wirtschaftlich nicht wirklich verlassen können, erfuhr vor etwas mehr als zehn Jahren der Eishersteller Eskimo. Nachdem dank des Buches „Wickie, Slime & Paiper“ eine 1970er-Jahre-Nostalgiewelle durch das Land fegte, brachte Eskimo besagten Paiper wieder auf den Markt.

Anfangs schlug das Eis mit vollem Erfolg ein und war zeitweise das meistverkaufte Produkt in Eskimos Sortiment. Doch schon bald ebbte die Euphorie ab, und der Paiper musste sich wie jedes andere Eis gegen die Konkurrenz durchsetzen – was 2004 zu seiner erneuten Einstellung führte.

Wirklich erfolgreich sind also nur Produkte, die auch ohne Nostalgie überzeugen. Etwa das picksüße und in grellbunten Flaschen gelieferte „Dreh und Trink“, das für den zweijährigen Sohn nun wieder öfter im Einkaufswagen landet. Schließlich hat das ja auch mir als Kind schon so gut geschmeckt.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Schwedenbomben Nachschub fuer Handel
Österreich

Schwedenbomben: Nachschub für Handel in Sicht

Die Produktion ist wieder voll angelaufen. Pro Tag laufen gut 350.000 Stück vom Fließband. Der Geschäftsführer glaubt weiter an "Stand-alone-Lösung".
Österreich

Schwedenbomben: Niemetz produziert wieder voll

Durch einen Kurzfrist-Kredit kann die insolvente Firma vorübergehend wieder produzieren. Arbeiter sind sogar zu Überstunden bereit, und das trotz ausständiger Löhne.
Niemetz braucht starken Partner
Österreich

Niemetz braucht starken Partner zum Überleben

Zu wenige Produkte, fehlendes Marketing sowie Billig-Konkurrenz sind für die Lage verantwortlich. Die Mitarbeiter wurden beim Insolvenzfonds angemeldet.
Österreich

"Schwedenbombe": Solidarität für Niemetz auf Facebook

Auf der Facebook-Seite „Rettet die Niemetz-Schwedenbombe“ rufen tausende Personen auf, die Geschäfte zu stürmen und Schwedenbomben zu kaufen. Die Insolvenz von Niemetz wird diese Aktion nicht mehr rückgängig machen.
Österreich

Die Bombe ist geplatzt: Niemetz in Konkurs

Der Süßwarenhersteller will die Sanierung ohne Eigenverwaltung und ohne Partner schaffen. Arbeitsplätze sollen nicht in Gefahr sein. Der Umsatz des Traditionshauses ist in den letzten zwei Jahren stark eingebrochen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.