Terrorkrieg: Neuer CIA-Chef im Kreuzverhör

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Am 11. September 2001 hatte Amerika 50 Drohnen, heute sind es 7500. Einer der Köpfe dahinter war der designierte neue CIA-Direktors John O. Brennan. Der Senat fordert dafür von ihm Rechenschaft.

Washington. Der mehr als zehn Jahre dauernde Drohnenkrieg der USA wird für Präsident Barack Obama zur Nagelprobe seiner Glaubwürdigkeit. Die Anhörung seines Terrorismusberaters und designierten neuen CIA-Direktors John O. Brennan am Donnerstag im Senat zwang im fünften Jahr von Obamas Präsidentschaft erstmals einen seiner engsten Mitarbeiter dazu, die Schattenseiten dieser Methode der Kriegsführung öffentlich zu erhellen. Schon der Anfang von Brennans Anhörung im Geheimdienstausschuss des Senats zeigte, wie sehr der Drohnenkrieg vor allem die linke Seite des politischen Spektrums empört. Nachdem mehrere Aktivisten im Publikum Brennan als Mörder pakistanischer Kinder angebrüllt hatten, ließ Ausschussvorsitzende Dianne Feinstein den Saal räumen.

"Rechtmäßig, ethisch, weise"

Denn Brennan ist die treibende Kraft hinter der Entscheidung Obamas, mutmaßliche al-Qaida-Terroristen in Jemen, Pakistan und Somalia von ferngesteuerten Flugobjekten auszuschalten. Die „gezielten Tötungen" haben seit den al-Qaida-Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington mindestens 3430 Opfer gefordert, hält Micah Zenko vom Council on Foreign Relations, einem führenden außenpolitischen Thinktank, in einer neuen Studie fest. Damals hatte Amerika 50 Drohnen, heute seien es 7500, jede zwanzigste sei bewaffnet.

Vermutlich zwölf Prozent der Toten waren Zivilisten, die unschuldig ins Visier der Raketen gerieten. Und ein nicht genau zu beziffernder Großteil der übrigen Toten war zwar militant und hatte den einen oder anderen Kontakt zu al-Qaida oder den im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet tätigen Taliban. „Die meisten waren anonyme Kämpfer niedrigen Ranges, die in erster Linie an Aufständen oder Terroraktionen gegen ihre eigenen Regierungen beteiligt waren, nicht an internationalen Terrorverschwörungen", gibt Zenko zu bedenken. Diese Männer stellten keine unmittelbare Bedrohung für die USA oder ihre Verbündeten dar. Wenn Amerika solche Leute tötet, riskiere es, noch weiter in rein innenpolitische Konflikte der drei genannten Staaten gezogen zu werden, warnt er.

Das Weiße Haus sieht diese Gefahr nicht. Die „gezielten Tötungen" seien „rechtmäßig, ethisch und weise", sagte Obamas Sprecher Jay Carney noch am Dienstag.

"Krebsgeschwür Al-Qaida"

Und auch Brennan, der früher unter anderem das CIA-Büro in Saudiarabien geleitet hat, ist von der Drohne als Kriegsmittel überzeugt. „Es ist diese chirurgische Präzision, die dieses Anti-Terror-Werkzeug so wesentlich macht - die Fähigkeit, mit Lasergenauigkeit das Krebsgeschwür namens al-Qaida-Terrorist zu entfernen, während man den Schaden für das umliegende Gewebe begrenzt", erklärte er im April 2012.

Das sei eine wirklichkeitsferne Vorstellung von dem, was passiert, wenn eine Drohne eine Rakete auf Menschen abschießt, sagte Zenko dieser Tage im Gespräch mit Journalisten: „So würde niemand, der die Luftwaffe einsetzt, die Wirkungsweise der Luftwaffe beschreiben." Brennan, der nie Soldat war, habe dieselbe „antiseptische" Vorstellung vom Einsatz militärischer Gewalt, die vielen hohen zivilen Regierungsbeamten eigen sei.

Bisher hat sich Obama geweigert, dem Senat die Grundlagen und „Abschusslisten" für die Drohnenangriffe vorzulegen. Am Dienstag aber veröffentlichte NBC News ein 16-seitiges Papier des Justizministeriums, in dem es die Rechtmäßigkeit der Tötung amerikanischer al-Qaida-Terroristen argumentiert. Infolge dessen beeilte sich das Weiße Haus, dem Senat mehr Verschlussunterlagen zur Verfügung zu stellen.

Brennans Bestätigung durch den Senat ist zwar nicht gefährdet; Demokraten und Republikaner fühlten ihm in der Drohnen-Frage aber hart auf den Zahn. „Wie will die Regierung sichergehen, keine Zivilisten in Gegenden zu töten, wo praktisch alle Männer Waffen tragen?", wollte der Republikaner John McCain wissen. Brennan gab sich vage: „Sie werden immer Antworten von mir bekommen - wenn auch nicht immer jene, die sie sich wünschen."

Auf einen Blick

John O. Brennan ist der Anti-Terror-Berater von Präsident Obama und soll CIA-Chef werden. Am Donnerstag musste sich der 57-Jährige im Geheimdienstausschuss des Senats harten Fragen zum Drohnenkrieg gegen al-Qaida stellen.

Rund 3500 Tote forderte diese Methode von CIA und US-Militär in Jemen, Pakistan und Somalia seit 2002. Die Drohnen haben al-Qaida geschwächt, doch dürften rund zwölf Prozent der Opfer Zivilisten sein. Das fördert den Hass auf die USA.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2013)

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