Bespitzelungsprozess

Prinz Harry attackiert Boulevardpresse - aber auch Regierung

Prinz Harry trifft am High Court in London ein.
Prinz Harry trifft am High Court in London ein. HENRY NICHOLLS
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Prinz Harry ist der erste Royal seit mehr als 130 Jahren, der eine Aussage vor Gericht macht. „Sie waren verletzend, gemein und grausam“, sagte er über die Reporter und ihre angeblichen Recherchemethoden.

In einem bemerkenswerten Auftritt vor einem Londoner Gericht hat Prinz Harry schwere Vorwürfe gegen die britischen Boulevardmedien erhoben und auch scharf gegen die Regierung ausgeteilt. Sein Leben lang sei er Opfer einer unbarmherzigen „Invasion der Presse“ gewesen, sagte der 38-Jährige am Dienstag. Die Medien und die Regierung in Großbritannien befänden sich aus seiner Sicht aktuell „an einem Tiefpunkt“.

Der Prinz ist das erste Mitglied der britischen Königsfamilie seit mehr als hundert Jahren, das in einem Gerichtsverfahren in den Zeugenstand trat. Gemeinsam mit anderen Klägern wirft Harry dem Medienkonzern Mirror Group Newspapers (MGN) illegale Informationsbeschaffung vor. Unter anderem soll das Mutterhaus der Boulevardzeitungen „Daily Mirror“, „Sunday Mirror“ und „Sunday People“ sein Handy angezapft haben.

„Verletzend, gemein und grausam“

Das Verfahren fand am Dienstag in Saal Nummer 15 statt. Im nachtblauen Anzug, mit lichtem rötlichen Haar, nahm Harry im Zeugenstand Platz. In dem länglichen Raum mit Neonlichtern an der Decke war lediglich ganz hinten Platz für etwa 50 Zuschauer und Journalisten. Harry sprach leise, in einer Pause baten die Zuhörer, das Mikrofon näher zu schieben, doch der Ton blieb schlecht.

Freundlich und höflich, aber knapp antwortete der 38-Jährige auf die Fragen von MGN-Anwalt Andrew Green. Während der Jurist, von einem Mandanten als „Bestie vor Gericht“ gelobt, nach konkreten Beweisen für illegale Informationsbeschaffung fragt, antwortete Harry allgemein.

„Sie waren verletzend, gemein und grausam“, sagte er über die Reporter und ihre angeblichen Recherchemethoden. Im Gegenzug hielt Green ihm vor, dass bestimmte Informationen schon vor der Veröffentlichung in anderen Blättern zu lesen waren. Harrys Antwort: Die Medien, in heftiger Konkurrenz verbunden, hätten mit dem Abhören versucht, Geschichten weiterzudrehen oder noch skandalträchtigere Details zu ergattern.

Er habe sehr unter den Artikeln gelitten, die ihn oftmals in ein schlechtes Licht rückten und intimste Details seines Privatlebens enthüllten, sagte Harry im Zeugenstand des High Court. „Wie viel Blut wird noch ihre tippenden Finger beflecken, bevor jemand diesem Wahnsinn Einhalt gebieten kann“, sagte er.

Presse und Regierung „an einem Tiefpunkt“

Im Kreuzverhör räumte der 38-Jährige ein, nicht alle der oftmals mehr als 20 Jahre alten Artikel, die er in seiner Klage aufführt, gelesen zu haben. In jedem Fall hätten sie aber in ihrer Gesamtheit massiv in seine Privatsphäre eingegriffen und ihn „äußerst paranoid“ gemacht, Freundschaften und auch seine Beziehungen ruiniert.

In seiner Aussage griff der Prinz auch die britische Regierung an - ein bemerkenswertes Vorgehen, da sich die Mitglieder der Königsfamilie generell nicht öffentlich zu aktuellen politischen Themen äußern. „Unser Land wird im Ausland am Zustand der Presse und der Regierung beurteilt und beide befinden sich meiner Meinung nach an einem Tiefpunkt“, sagte der 38-Jährige.

„Die Demokratie scheitert, wenn die Presse daran scheitert, die Regierung zu hinterfragen und zur Verantwortung zu ziehen und stattdessen entscheidet, mit ihr ins Bett zu gehen, um den Status quo sicherzustellen“, sagte Harry weiter.

Die britischen Zeitungen sind weitgehend konservativ und stehen den regierenden Tories von Premierminister Rishi Sunak nahe. Dessen Sprecher lehnte eine Stellungnahme zur Kritik des Prinzen ab. „Ich werde mich nicht dazu hinreißen lassen, dieses Thema besonders zu kommentieren“, sagte er vor Journalisten.

Der Prozess hatte bereits wenige Tage nach der Krönung von Charles III. vor einem Monat begonnen. Zu Beginn des Verfahrens räumte MGN mehrere Fälle von Fehlverhalten gegenüber Harry ein und entschuldigte sich. Das Medienhaus bestritt jedoch kategorisch, Sprachnachrichten abgefangen zu haben.

33 Artikel seit 1996 werden analysiert

Insgesamt 33 Artikel der MGN-Blätter nimmt der High Court unter die Lupe. Der erste stammt vom 16. September 1996. „Diana so traurig an Harrys großem Tag“, überschrieb der „Mirror“ einen Bericht, laut dem Mutter Prinzessin Diana nur wenig Zeit mit ihrem Sohn an dessen zwölften Geburtstag verbracht haben soll. Immer wieder im Fokus: das Liebesleben des Prinzen. So berichtete „People“ im April 2009, Harry habe seine langjährige Freundin Chelsy Davy geradezu mit Nachrichten „bombardiert“, um sie zurückzugewinnen.

Harry hat seit langem ein zerrüttetes Verhältnis zu den Boulevardmedien. Der jüngste Sohn von König Charles III. macht sie unter anderem verantwortlich für den Tod seiner Mutter Diana, die 1997 bei einem Verkehrsunfall während einer Verfolgungsjagd mit Fotografen in Paris ums Leben gekommen war.

Bis heute sehen er und seine Frau Meghan sich nach eigenen Angaben immer wieder mit Nachstellungen durch Medien konfrontiert. Dies war nach Harrys Darstellung einer der Gründe gewesen, warum sich die beiden 2020 aus der vordersten Reihe des britischen Königshaus zurückzogen und in Meghans Heimat USA umsiedelten.

Bei der zivilen Sammelklage werden exemplarisch Fälle von mehreren Prominenten verhandelt. Geklärt werden soll auch, wie sehr die Führungsebene des Verlags in illegale Praktiken verwickelt war. MGN weist die Vorwürfe zurück. Der Prozess hatte am 10. Mai begonnen und soll Ende Juni abgeschlossen sein. Ein Urteil wird erst im Laufe des Jahres erwartet. Erhalten Harry und die anderen Kläger Recht, dürfte ihnen das Gericht Schadenersatz zusprechen.

(APA/AFP/dpa)

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