Morgenglosse

Eine Welt ohne SPÖ ist möglich

Die Parteizentrale in der Löwelstraße in Wien.
Die Parteizentrale in der Löwelstraße in Wien.APA/Helmut Fohringer
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Historische Verdienste machen einzelne Parteien nicht unverzichtbar für die Demokratie. Auch die SPÖ nicht. 

Zu behaupten, die heimische Sozialdemokratie hätte in den vergangenen drei Monaten ein schauderhaftes Bild abgegeben, wäre eine glatte Untertreibung. Ein Auszug, und zwar so kurz wie möglich: Nachdem im März entschieden worden war, den Machtkampf zwischen Hans Peter Doskozil und Pamela Rendi-Wagner von der Basis entscheiden zu lassen, quälte man sich in zahllosen Gremiensitzungen zu groben Regeln dafür (übrigens stets in Räumlichkeiten des Parlaments, weil man trotz Millionen aus der Parteienförderung über keinen Raum in der Parteizentrale verfügt, der groß genug für die rote Spitzenfunktionärstruppe ist). Aus zwei Kandidaten wurden dann zwischenzeitlich mehr als 70 und eine Giraffe, wenig später waren es derer ob neuer Regeln nur noch drei – und die Mitgliederbefragung aus Sicht der Bundespartei zum „Stimmungsbild“ degradiert. Die Mitglieder entschieden sich hernach mehrheitlich für Doskozil, Parteitagsdelegierte drehten das Ergebnis um. Das wiederum wurde erst nach zwei Tagen bekannt, weil die SPÖ in einer historischen Stümperei die Ergebnisse „vertauscht“ hat, zumindest wurde es so erklärt. Nun hat die zerstrittene Partei zwar einen Chef, muss ihre Einzelteile aber wieder zusammensammeln – übrigens auch inhaltlich, angesichts des Linksrucks des mit fundamentaler EU-Skepsis aufgefallenen Neo-Frontmannes.

Und jetzt wird’s abermals erstaunlich: Allerorten sorgt man sich nun nämlich um die SPÖ und mit ihr gleich um die Demokratie selbst. Sei es in Medien oder gar beim politischen Mitbewerber. Grünen-Chef Werner Kogler etwa wünscht sich „Stabilität“ und „Klarheit“ in der SPÖ, dies wäre „wichtig für die Demokratie in Österreich“.

Warum eigentlich? In Artikel 1 der österreichischen Bundesverfassung steht geschrieben: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.“ Da steht nicht: „Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus, das bis in alle Ewigkeit von ÖVP und SPÖ zu vertreten ist.“

Parteien – Plural! – sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Demokratie, bestimmte Parteien jedoch selbst trotz systemischer Verwurzelung nicht; nicht die SPÖ und auch nicht die ÖVP. Von demokratiepolitischer Relevanz sind ihre gesellschaftspolitischen Anliegen, nie aber die Apparate selbst. Denn wer sagt eigentlich, dass nur die SPÖ erfolgreich für die Rechte von Arbeitnehmern, Frauen und Minderheiten einstehen kann? Im Gegenteil: Davon auszugehen, dass es angesichts ihrer historischen Verdienste die SPÖ sein muss, die dies in Österreich tut, gerade das wäre doch demokratiepolitisch abstrus. Demokratie heißt auch: Wenn es einer versemmelt, können andere übernehmen. Auch anderswo in Europa haben sich einstmals stolze Zentrumsparteien marginalisiert – ohne gleich das ganze demokratische Gefüge mitzureißen.

Werden die Roten mit ernsthafter Politik ihrer historischen Rolle in diesem Staat wieder gerecht, steht ihnen jeder Machtanspruch zu. Eine SPÖ, die dazu nicht imstande ist, bräuchte man nicht zu betrauern.

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