Interview

Galeristin Kandlhofer: „Jeder Künstler hat eine eigene Geschichte“

Die Galeristin Lisa Kandlhofer.
Die Galeristin Lisa Kandlhofer. Caio Kauffmann
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Die Galeristin Lisa Kandlhofer erzählt von den Anfängen ihrer Galerie, wie man sich auf dem Kunstmarkt vernetzt, was Kunstwerke kosten können, und erklärt, warum sie Kunstwerke, die sie privat gekauft hat, nie verkaufen will.

Die Presse: Was bestimmt Ihrer Meinung nach den Wert von Kunst? Ist das allein der Preis, den jemand zu zahlen bereit ist, oder gibt es noch andere Kriterien?

Lisa Kandlhofer: Der Kunstmarkt bestimmt den Preis des jeweiligen Kunstwerks. Dafür sind verschiedene Kriterien verantwortlich: in welchen Sammlungen die Künstlerin oder der Künstler vertreten ist, wie viele Museumsausstellungen es gibt, in welchen Galerien sie vertreten sind.

Kommt es vor allem darauf an, dass man als Künstler gut vernetzt ist, oder ergibt sich das automatisch, wenn man gut ist, dass man irgendwann auch gut vernetzt ist?

Das ist eben die Aufgabe der Galerien, für die Vernetzung und das Wachstum einer Künstlerin oder eines Künstlers zu sorgen.

Wie kommen Sie zu Ihren Künstlern? Wenden die sich an Sie, und Sie schauen sich die Bilder an und sagen, ja, das passt?

Jeder Künstler, jede Künstlerin hat eine eigene Geschichte. Da gibt es die Akademien, wo wir gewisse Rundgänge mitmachen und uns junge Künstlerinnen und Künstler anschauen. Dann gibt es zum Beispiel Künstler wie Maximilian Prüfer: Mit dem arbeite ich schon seit über acht Jahren zusammen. Wir sind ungefähr gleich alt. Und das Schöne ist, dass wir gemeinsam gewachsen sind. Ich konnte ihn in Sammlungen bringen. Jetzt hat er auch Ausstellungen im Weltmuseum Wien und in der Kunsthalle in München. Institutionen werden aufmerksam auf ihn.

Als Sie Ihre Galerie gegründet haben, waren Sie noch unbekannt. Wie sind Sie da zu Ihren Künstlern gekommen?

Ich habe lang in New York gelebt und relativ viele internationale Kontakte gehabt, auch zu anderen Galerien. Dieses Netzwerk hat mir geholfen, als ich vor 13 Jahren zurück nach Wien gekommen bin und hier meine Zelte aufgeschlagen habe. Und über dieses Netzwerk bin ich dann zu den Künstlern gekommen, über Kuratorinnen und Kuratoren oder andere Galerien.

Vor welchen Hürden steht man, wenn man ganz neu als Galeristin anfängt?

Ich habe angefangen mit einem temporären Raum. Damals hat es in Wien kaum junge Galerien und kaum junge Projekträume gegeben. Meine Intention war es, dieses New-York-Feeling nach Wien zu bringen. Ich habe zwei Mal eine Gruppenausstellung kuratiert. Dann bin ich schnell draufgekommen, dass ich diesen permanenten Raum brauche. Ich bin dann davon weg, dass die Ausstellungen einmal in Wien, einmal in Graz und einmal in Klagenfurt stattfinden. Die Künstlerinnen und Künstler brauchen ein Zuhause, und dafür braucht man Galerieräumlichkeiten. Und so habe ich vor acht Jahren meine erste permanente Galerie aufgemacht. Die war sehr klein und intim, bestand nur aus einem Raum. Die zweite hier gibt es seit fünf Jahren. Hier haben wir 550 Quadratmeter, zwei Showrooms, ein Lager und zwei Ausstellungsflächen.

Worauf legen Kunstsammler den größten Wert? Sind alle sehr kunstsinnig oder suchen manche nur etwas, das farblich zu den Möbeln passt?

Prinzipiell kommen Leute zu uns, um sich mit Kunst zu beschäftigen. Ich sehe mich als Filter, um den Sammlerinnen und Sammlern das passende Kunstwerk näherzubringen. Es ist wichtig, sich mit Kunst auseinanderzusetzen und Kunst richtig zu sehen, wenn man anfängt, Kunst zu kaufen.

Was sind das für Leute, die anfangen, Kunst zu sammeln? Solche, die schon ein gewisses Vermögen haben und einen Teil in Kunst anlegen wollen?

Nein, das fängt bei uns an mit jungen Leuten, die ihren ersten Job haben, eine Zeichnung kaufen, das in Raten abzahlen und dann über die Jahre hinweg dem Galerieprogramm treu bleiben, wenn sie sich auch andere Positionen leisten können.

Die kommen dann immer wieder?

Ja, und wir beraten sie auch und führen sie in die Welt der Kunst und des Sammelns ein. Uns als Galerie ist es wichtig, die Schwellenangst zu nehmen, dass man auch kommen kann, wenn man nichts kauft, und immer begrüßt wird und auf Anfrage eine Führung durch die derzeitige Ausstellung bekommt. Das war mir von Anfang an wichtig, dass jeder willkommen ist. Jeder kann kommen, ohne Eintritt zahlen zu müssen.

Kommen dann Leute auch wieder und sagen, ja, ich will jetzt doch dieses Bild haben?

Ja, das passiert auch, und das ist der richtige Zugang.

Was kostet das billigste Bild, wenn man wenig Geld hat und ein gutes Kunstwerk haben will?

Bei uns fängt es an mit 120 Euro mit einem Unikat von Nana Mandl, das ist eine junge österreichische Künstlerin, und geht bis Hermann Nitsch, der 110.000 Euro plus kostet.

Sieht man von Hermann Nitsch ab, stellen Sie vor allem jüngere Künstlerinnen und Künstler aus. Warum?

Das ist eine Generationensache. Und es ist spannend, den Werdegang eines Künstlers oder einer Künstlerin mitzuerleben und junge Künstler aufzubauen.

Lehnen Sie auch manchmal Künstler ab, die gern bei Ihnen ausstellen würden?

Sehr oft. Die meisten finden wir selbst aktiv. Wir schauen uns in der Woche zwei bis drei Künstlerinnen und Künstler an, die wir dann evaluieren und eine lange Zeit auch noch beobachten, bis wir den Schritt gehen, dass wir sie ausstellen. Durch uns findet also ein erster Auswahlprozess statt.

Sie nehmen keine richtigen Anfänger, sondern solche, die schon ein bisschen etwas produziert haben?

Der Künstler, den wir dieses Jahr gezeigt haben, Marc Henry, der studiert noch. Den beobachte ich aber auch schon seit zwei Jahren, und jetzt haben wir ihm die erste Soloausstellung in einer Galerie in Wien gegeben.

Wie lang sind die Kunstwerke bei Ihnen in der Galerie ausgestellt?

Zwischen vier und fünf Wochen. Wir haben ein ganz strenges Konzept, das ein bis eineinhalb Jahre davor geplant wird.

Wenn man einmal im Monat zu Ihnen zu Besuch kommt, sieht man immer etwas anderes?

Genau, das wäre der Idealfall.

Was raten Sie jungen Künstlern? Sich auf Social Media zu präsentieren? Sich aktiv an Galeristen zu wenden?

Social Media gewinnen an Stellenwert. Wir haben selbst den einen oder anderen Künstler, die eine oder andere Künstlerin über Instagram gefunden. Dann geht es auch ums Netzwerken: Am wichtigsten ist es, Kontakte zu knüpfen.

Wie knüpft man Kontakte? Auf Kunstmessen Leute anreden?

Leute kennenlernen, die Leute ins Studio einladen, sich vor allem auch mit Kuratorinnen und Kuratoren vernetzen. Und dann auch mit Galerien Kontakt aufnehmen.

Was war das erste Kunstwerk, das Sie gekauft haben?

Das erste Kunstwerk war ein Karl Karner, eine Skulptur von einem steirischen Bildhauer.

Haben Sie sich immer schon für Kunst interessiert?

Mein Großvater hat mich da sehr beeinflusst, er war Architekt und sehr kunstinteressiert. Er hat auch selbst gesammelt. Sein Haus ist vom Boden bis zur Decke voll mit Kunst. Ich habe sehr viel Zeit bei meinen Großeltern verbracht. Später, in New York, war ich viel in Galerien unterwegs, in London habe ich bei Sotheby‘s eine Summer School besucht und bin langsam reingewachsen.

Legen Sie Ihr ganzes Geld in Kunst an?

Ich lege mein ganzes Geld in Kunst an, ja.

Hoffen Sie da auf Wertzuwachs, oder wollen Sie die Werke ewig behalten?

Prinzipiell kaufe ich nur, was mir gefällt. Natürlich gibt es auch eine Wertsteigerung, wenn man das richtige Auge dafür hat. Und ich mache das auch schon länger. Aber bei den Arbeiten, die ich für mich privat gekauft habe, denke ich nicht daran, sie wieder zu verkaufen.

Haben Sie so viel Platz daheim?

Es wird umgehängt. Ich habe auch einen Skulpturenpark im Garten errichtet. Der Garten war zu groß für mich. Wir haben beschlossen, wir nehmen 50 Prozent Frauen. Das ist bei Skulpturen gar nicht so leicht, weil diese Kunstform sehr männerdominiert ist.

Ist das bei Malerei anders?

Die Malerei ist nicht so männerdominiert.

Hat sich das im Laufe der Jahre geändert?

Es gab mehr erfolgreiche männliche Künstler. Wie der Anteil der männlichen und weiblichen Künstler war, weiß ich nicht. Auf jeden Fall haben die Männer mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Hat man es in Ihrem Geschäft als Frau leichter oder schwerer?

Es ist generell eine Herausforderung, eine Galerie aufzubauen und am Leben zu erhalten. Gerade, wenn man sich mit jungen Positionen beschäftigt, weil man am Anfang mehr einzahlt, als man rausbekommt. Als Frau steht man schon auch vor anderen Herausforderungen. International ist es eine männerdominierte Branche, und man braucht eine dicke Haut und viel Durchhaltevermögen, als Frau vielleicht mehr als mancher Mann.

Zur Person

Zur Person

Lisa Kandlhofer (geboren 1985 in Graz) ist nach Aufenthalten in München und New York seit 2010 als Galeristin in Wien tätig. Die Galerie Kandlhofer in der Brucknerstraße in Wien Wieden (www.kandlhofer.com) vertritt sowohl österreichische als auch internationale Künstler mit einem Fokus auf Performance. Kandlhofers besonderes Interesse gilt Künstlern, die sich mit interdisziplinärer Kunst beschäftigen.

Derzeit und bis 17. Juni werden in der Galerie Werke von Maximilian Prüfer und Irena Posner ausgestellt. In ihrem Garten in Klosterneuburg stellt Kandlhofer Skulpturen aus.

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