Gastkommentar

Klare Grenzen für die Med-Uni Wien!

(c) Peter Kufner
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Zur Rolle der Medizinischen Universität Wien im Kontext der Diskussion zur Gesundheitsversorgung.

Der Autor

Peter Husslein (*1952) ist Gynäkologe und seit 2020 emeritierter Vorstand der Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Universitätsrat der Med-Uni Wien.

Die Gesundheitsversorgung ist in der Krise“, so konnte man es zutreffenderweise an verschiedenen Stellen lesen. Und: „Es müssen sich jetzt alle zusammensetzen, um die Probleme gemeinsam zu lösen.“
Klingt gut, ist aber vermutlich eine Illusion. Alle, die sich an einen Tisch setzen sollten, haben vor allem eigene Interessen und sind nur sekundär an einer Verbesserung der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung interessiert: Die Sozialversicherung möchte nicht in finanzielle Schwierigkeiten geraten; Länder und Gemeinden wollen die Standorte ihrer Spitäler (weitgehend unabhängig von einem medizinischen Bedarf) behalten; um Arbeitsplätze und ihren Einfluss darauf zu erhalten; die Ärztekammer vertritt vornehmlich Interessen ihrer Mitglieder, und die Politik will um jeden Preis eine Unzufriedenheit der Bevölkerung verhindern. Und die Patienten? Wollen alles, überall und sofort.

In einem solchen Umfeld versucht naturgemäß jeder, dem anderen Probleme und vor allem Kosten zuzuspielen: Die Sozialversicherung ist nicht interessiert, den ambulanten Bereich auszubauen (weil sie für dessen Finanzierung zuständig ist), sondern drängt Patienten lieber in die Spitalsambulanzen (die vornehmlich von einem anderen Träger finanziert werden). Die Folge: Sowohl Ärzte wie auch Angehörige der Pflegeberufe sind zunehmend ausgelaugt, verlassen ihren Arbeitsplatz und stürzen dadurch das System noch weiter in Probleme; im niedergelassenen Bereich geht die Anzahl der Kassenärzte zurück, und die Wahlärzte nehmen zu.

Ursache für diese Entwicklung, die zuletzt stark an Dynamik gewonnen hat, sind vier Faktoren: Eine schlechte Organisationsstruktur, ein zunehmender Medizinbedarf (v. a. durch die Alterung der Bevölkerung), eine eindrucksvolle Verbesserung der medizinischen Möglichkeiten und die daraus resultierende enorme Angebotsvermehrung – und nicht zuletzt eine ungebremste Begehrlichkeit der Patienten, weil sie großteils die Rechnung nicht selbst bezahlen müssen. Als neu bestellter Kliniker im Universitätsrat der Med-Uni Wien sehe ich es als meine Aufgabe an zu versuchen, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Med-Uni Wien die ihr zugeteilte Rolle in der Patientenbetreuung spielt, aber nicht zusätzlich die anderer Gesundheitsdienstleister oktroyiert bekommt.

Drittel der Spitalsleistung Wiens

Derzeit erbringt die Med-Uni ca. ein Drittel der Spitalsleistungen Wiens. Das Problem bedarf einer detaillierteren Darstellung: Die zentralen Aufgaben einer medizinischen Universität sind Lehre, Forschung und Patientenbetreuung; Letztere allerdings nur für Spitzenmedizin, die die Med-Uni mit großem Engagement erbringt – und solche, die man für die Facharztausbildung und für die studentische Lehre braucht. Jeder Patient muss in eine dieser Kategorien fallen, sonst liegt er nicht im Zuständigkeitsbereich einer medizinischen Universität.

Die Abgrenzung zu anderen Patienten, die einer Grundversorgung bedürfen, ist naturgemäß schwierig, stellt aber heute unter den engen budgetären Rahmenbedingungen eine größer werdende Herausforderung dar.
Um aber die Aufgaben einer Medizinischen Universität erfüllen zu können und im internationalen Wettstreit erfolgreich zu sein, ist eine solche Abgrenzung notwendig; fehlt diese, kommt es zu einer Querfinanzierung der allgemeinen Gesundheitsversorgung durch Mittel aus dem Forschungsbudget, was zuletzt für Wien sogar der Rechnungshof kritisiert hat.
In Wien ist eine klare Aufgabenteilung durch die doppelte Trägerschaft des gemeinsam geführten Medizinischen Klinikums/AKHs durch diese Parallelstruktur erschwert: Jede Klinik macht zwei Leistungsvereinbarungen mit divergierender Ausrichtung – eine mit dem Rektor der Medizinischen Universität – und eine mit dem Direktor des AKHs, es gibt zwei separate Personal-, zwei Rechts-, zwei PR-Abteilungen etc., die sich alle absprechen müssen.

Im Rahmen der derzeit gültigen Kooperation finanziert die Med-Uni (aus dem Budget des Ministeriums für Wissenschaft) alle Ärzte und alles, was mit Forschung und Lehre assoziiert werden kann; die Gemeinde Wien hingegen zahlt die Pflege und alles, was sonst mit der Patientenbetreuung verbunden ist. Ein Teil der Investitionen wird im Verhältnis 50:50 finanziert, und zusätzlich zahlt die Universität der Gemeinde Wien jährlich noch einen sogenannten klinischen Mehraufwand. Die sich aus einer solchen komplizierten Konstruktion ergebenden Schwierigkeiten wurden von Anfang an erkannt, konnten aber bis heute nie befriedigend gelöst werden. Eine frisch konzipierte Konstruktion der Einbindung in die Patientenversorgung in Wien würde zweifelsohne anders aussehen.

Die Zeit ist reif, darüber nachzudenken, ob es nicht effizientere Formen der Zusammenarbeit geben könnte. Bis dahin muss die Medizinische Universität versuchen, den Begehrlichkeiten des zunehmend in Bedrängnis geratenen öffentlichen Gesundheitssystems, so gut es geht, auszuweichen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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