Interview

Robert Kratky: „Bin nicht dauernd happy“

Robert Kratky vor dem ORF-Zentrum am Küniglberg.
Robert Kratky vor dem ORF-Zentrum am Küniglberg.Clemens Fabry
  • Drucken

Robert Kratky, die bekannteste Ö3-Stimme Österreichs, ist 50 geworden und denkt inzwischen daran, das Mikrofon abzugeben.

Die Presse: Sie sind bereits mit 16 zum ORF, mit 17 zu Ö3, seit 2004 dort der Anchor der Morgenshow. Wollten oder konnten Sie nie etwas anderes machen? 

Robert Kratky: (Lacht.) Coole Frage! In meiner Kindheit wollte ich eine Zeitlang Anwalt werden. Ich war von „Matlock“ geprägt, einer uralten Gerichtsserie, die sogar schon alt war, als ich jung war. Dann wollte ich eine Zeitlang Arzt werden, in erster Linie, weil in meiner Klasse der Sohn eines Arzts war und der immer mit dem größten Auto abgeholt wurde. Als ich mich allmählich ernsthaft gefragt habe, was ich in meinem Leben machen will, wollte ich Kriegsberichterstatter werden, inspiriert von Ernest Hemingway.

Warum haben Sie es nicht durchgezogen?

Irgendwann hatten meine Wünsche nur noch mit Radio zu tun, dafür fing ich am meisten Feuer. Als ich zum ersten Mal einen Radiomoderator in einem Studio in Salzburg gesehen habe, wollte ich Radiomoderator werden. Als ich den Chef von Ö3 gesehen habe, wollte ich Chef einer Radio- oder Fernsehstation werden. Als ich dann in Amerika an einer Schule für Programmdirektoren und Programmmanagement war, wollte ich gleich mehrere Radiostationen managen.

Aber hören junge Menschen überhaupt noch Radio?

Das hoffe ich doch schwer. Wir wissen zum Beispiel, dass Ö3 der Nummer-eins-Sender bei den Jungen ist. Offensichtlich, weil wir mit unserem Programm etwas ansprechen, was Menschen verbindet. Mir geht es aber um die Menschen an sich, und es ist es mir völlig gleich, wie alt sie sind oder woher sie kommen. Was sie beschäftigt und was sie bewegt, interessiert mich, und da findet sich oft ein gemeinsamer Nenner. Die Gräben in unserer Gesellschaft sind nicht so groß, wie sie oft beschrieben werden.

Was macht das mit der Psyche, wenn man dauernd gute Laune transportieren muss. Geht einem das nicht an manchen Tagen furchtbar auf die Nerven?

Tu ich ja nicht. Ich trage es wahrscheinlich als Einziger nach außen, wenn ich mal schlecht gelaunt bin. Aber selbst dann kann ich über mich selbst lachen. Weinen tu ich eh zu Hause.

Wann haben Sie zuletzt geweint?

Jetzt schon länger nicht mehr, aber ich habe auch kein Problem damit, zu Hause zu weinen. Wenn ich auf Sendung bin und mal keinen guten Tag habe oder ich sogar aggressiv auf ein Thema reagiere, dann ist das nur menschlich, und ich sage immer: Ich bin nicht im Mediengeschäft, ich bin im Menschengeschäft. Ich bin nicht dauernd happy und dauernd gut gelaunt. Trotzdem ist es meine Aufgabe, die Leute fröhlich in den Tag zu schicken, dazu muss ich persönlich aber nicht dauernd lachen.

Wie gelingt das in Zeiten wie diesen, die so krisenbehaftet sind?

Das ist sicherlich die größte Challenge. Im Menschenbusiness ist es die Hauptaufgabe, dein Ohr andauernd am Puls der Zeit und beim Publikum zu haben. Deswegen bekomme ich mit, auch in meinem persönlichen Freundeskreis, wie überanstrengt die Menschen schon sind, wie sie nervlich am Ende sind. Auch die Unsicherheit, der mediale Dauerbeschuss mit schlechten Neuigkeiten spielen da eine Rolle. All das hat etwas mit uns als Gesellschaft gemacht, und das betrübt auch mich. Ich habe noch nie so hart an mir selbst arbeiten müssen, wie in den vergangenen drei Jahren, damit ich positive Energie in den vier Stunden transportieren kann.

Wie haben Sie an sich selbst gearbeitet?

Ich habe in meinem Leben wahnsinnig viele Menschen verloren und es jahrzehntelang verdrängt. Als ich irgendwann begonnen habe, es zuzulassen, ist dann gleich die ganze Mure an nicht Aufgearbeitetem mitgekommen. Ich bin in einer Psychotherapie, die ich regelmäßig besuche. Vor drei Jahren hatte ich einen ziemlichen Zusammenbruch. Die Vorbehalte von Männern gegenüber der Psychotherapie sind immer noch ein Thema, das wir in unserer Gesellschaft von Jung bis Alt mitschleppen.

Die Vorbehalte?

Die Vorbehalte, dass es ein Zeichen von Schwäche wäre, sich einzugestehen, dass man eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen hat. Das ist unter Burschen immer noch ein bisschen schwieriger als unter jungen Frauen. Da seid ihr offensichtlich klüger als wir. Das größte Problem unserer Gesellschaft zurzeit ist, vor allem in unseren Breitengraden, dass das, was wir vorgeben, sein zu wollen, und das, was wir tatsächlich sind, fast nichts mehr miteinander zu tun hat. Da klafft eine Schlucht zwischen dem Schein und dem Sein. Niemand wird dem Bild gerecht, das er von sich nach außen abgibt.

Werden Sie denn dem Bild gerecht, das Sie auf Instagram darstellen?

Ziemlich ja. Ich war am Anfang überrascht, dass mir überhaupt so viele Leute gefolgt sind. Ich wollte mal anders sein als bei Ö3. Ich würde mir im Ö3-Wecker keine Zigarette anzünden, auf Insta mach ich‘s. Ich würde im Ö3-Wecker nicht unverblümt fluchen, auf Insta tu ich‘s.

Sie haben letztens in der ORF-Sendung „Stöckl“ angekündigt, Ihren Vertrag „in einigen Jahren“ nicht verlängern zu wollen. Haben Sie Angst vor der Zeit danach?

Wenn ich Ängste habe, dann stelle ich mich ihnen. Das spielt bei meiner Entscheidung, wie lang ich noch bleibe, keine Rolle. Ich habe das Ende meines Vertrags in der Sendung zum ersten Mal thematisiert, vielleicht um das zu unterstreichen, vielleicht auch für mich selbst. Ich habe nur nicht mit diesem medialen Echo gerechnet. Jedes Jahr aufs Neue hat sich die Frage zwischen mir und dem jeweils amtierenden Generaldirektor gestellt: Wie lang soll das laufen?

Und?

Darüber möchte ich keine Auskunft geben, aber es sind noch ein paar Jahre.

Aber sind Sie nicht mit 50 ohnehin bereits zu alt für einen Sender, der auf Jugend getrimmt ist?

Ich bin 50, mache die erfolgreichste Morgenshow Österreichs und das jetzt mittlerweile ungeschlagen seit ziemlich langer Zeit. Also stellen Sie sich selbst die Frage, sollte ich aufhören? Ich finde, ja, zum richtigen Zeitpunkt. Ich bemerke, dass dieses Aufstehen um drei Uhr früh, das ständige In-der-Öffentlichkeit-Stehen, das ständige Auf-Dinge-Verzichten, was für andere Menschen selbstverständlich ist, das Zu-Mittag-müde-Werden, seinen Tribut fordert. Du bist andauernd unter Beobachtung, egal, was du machst. Und ich möchte niemals in die Situation kommen, dass ich der Aufgabe nicht mehr gewachsen bin. Ich will als Nummer eins gehen und nicht, weil jemand sagt, dass ich diese Nummer eins nicht mehr bin und deshalb gehen muss.

Wie geht es für Sie weiter, wenn der Vertrag ausgelaufen ist?

Es wird eine Möglichkeit geben, im ORF zu bleiben, aber ich weiß noch nicht, ob ich das machen werde. Witzigerweise mache ich mir sehr wenige Sorgen über die Zukunft, weil ich überzeugt bin, dass ich viel gelernt habe und noch viel Kraft habe. Ich könnte mir genauso gut vorstellen, etwas völlig anderes zu machen, aber ich nehme schon an, das ich meinem Metier treu bleiben werde. Es kann aber auch sein, dass ich mich völlig ins Private zurückziehe, ich weiß es noch nicht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.