Wir müssen lernen, zur Zuwanderung Ja zu sagen

"Ausländer = Problem": Diese Gleichung behindert hierzulande gezielte Immigration. Das muss sich ändern. Dazu gehört auch die strikte Trennung von Asyl und Migration.

Österreich liegt bei der gezielten Zuwanderung von Arbeitsmigranten aus Drittländern in der OECD auf dem letzten Platz. Das geht aus einer aktuellen Studie der Organisation hervor. Nun ist es zwar nicht überraschend, dass klassische Einwanderungsländer wie Neuseeland, Australien oder Kanada deutlich vor Österreich liegen. Dass aber auch von ihren Voraussetzungen vergleichbare europäische Länder wie Dänemark oder Schweden es deutlich besser schaffen, Menschen mit im Land benötigten Qualifikationen anzuziehen, ist quasi die in Zahlen gegossene Bilanz der hierzulande seit Jahren verhunzten Zuwanderungspolitik.

Denn diese kann in Österreich unter der einfachen Gleichung „Ausländer = Problem“ subsumiert werden. Schuld sind daran naturgemäß diverse heimische Rechtspopulisten, die mit dem Ausländerthema und dem Schüren von berechtigten und unberechtigten Ängsten seit den 1980er-Jahren Wahlerfolge feiern. Schuld trifft aber auch Proponenten auf der linken Seite des politischen Spektrums, die mit naiven – und in letzter Konsequenz durchgedacht gefährlichen – Forderungen wie einem „Asylrecht für Wirtschaftsflüchtlinge“ die bereits geschürte Angst bei vielen Österreichern noch weiter anheizen.


Die Folge ist eine Situation, in der von der Politik vornehmlich darauf geschaut wird, so wenig Menschen aus Drittländern wie möglich ins Land zu lassen, und Einwanderung in der öffentlichen Wahrnehmung vor allem durch das jahrelange Hinauszögern von Asylverfahren erfolgt. Die Frage, welche Rolle gezielte Migration etwa dabei spielen könnte, den seit Jahren bestehenden und Produktivitätsverluste produzierenden Fachkräftemangel zu mildern, wird hingegen nur am Rande gestellt.

Dies wurde zwar in der jüngsten Vergangenheit durch Maßnahmen wie die Rot-Weiß-Rot-Card verbessert, von einem echten Konzept für gezielte Zuwanderung samt dazugehöriger Willkommenskultur ist Österreich aber immer noch meilenweit entfernt. Das zeigt schon ein kurzer Blick ins Internet, mithilfe dessen Auswanderungswillige potenzielle Zielländer einfach vergleichen können. So gibt es zwar auch hierzulande bereits staatliche Informationsportale zur Zuwanderung und Integration, diese sind jedoch nicht gebündelt und großteils nur auf Deutsch abrufbar. Wer sich hingegen beim Immigrationsministerium Australiens informieren will, weiß nach wenigen Klicks nicht nur, ob seine Fähigkeiten im Land gebraucht werden. Er kann sich auch in 37 (!) Sprachen eine Broschüre herunterladen, in der von der Anmeldung bei der Sozialversicherung bis zu den Umgangsformen in Australien die wichtigsten Informationen enthalten sind. Qualifizierten Zuwanderern wird also relativ schnell klargemacht: Wir wollen dich. Und wenn du dich an unsere Normen hältst, bist du auch herzlich willkommen.

Vielen Österreichern dürfte diese Passivität bei der Anwerbung qualifizierter Arbeitsmigranten ganz recht sein, da sie auf einem historisch begründeten Standpunkt stehen, wonach Österreich einfach kein Zuwanderungsland sei. Damit wird jedoch die Realität des 21.Jahrhunderts negiert. Denn aufgrund der demografischen Entwicklung braucht Österreich – wie die meisten gebärfaulen Industrienationen – gezielte Zuwanderung, um die sich öffnenden Lücken auf dem Arbeitsmarkt und im Pensionssystem zumindest teilweise wieder zu schließen.

Entscheidend ist es daher auch, die strikte Trennung zwischen Asyl (das für Verfolgte natürlich ein unumstößliches Recht ist) und Einwanderung einzuhalten. Denn obwohl es nachvollziehbar ist, dass viele Menschen aus ärmeren Ländern ihre Lebensbedingungen durch Migration verbessern wollen, ist es für Länder wie Österreich schlicht unmöglich, dauerhaft eine komplett ungesteuerte Zuwanderung zu verkraften.

Wer jedoch Fähigkeiten mitbringt, die gebraucht werden, und bereit ist, sich soziokulturell an unsere westliche Demokratie anzupassen, der sollte auch in Österreich endlich mit einem herzlichen „Willkommen“ empfangen werden. Von der Politik. Und von der Bevölkerung.

E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2013)

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