Bitter für US-Präsident Joe Biden: Das Höchstgericht beschneidet die Kompetenzen der Regierung. Der geplante Teilerlass von Studierendenkrediten ist somit nicht rechtens. Auch der Schutz gleichgeschlechtlicher Paare wird aufgeweicht.
Schwere Schlappe für US-Präsident Joe Biden: Das Oberste Gericht der USA hat seinen geplanten Teilerlass von Studentenkrediten für nicht rechtens erklärt. Die US-Regierung habe mit diesem Plan ihre Kompetenzen überschritten, urteilte das Gericht mit seiner rechten Mehrheit am Freitag. Dafür benötige sie die Zustimmung des US-Kongresses. Damit hat der Supreme Court ein zentrales Versprechen des Demokraten einkassiert.
Die neue Entscheidung des Gerichts ist nun der jüngste Schlag für Biden - das Gericht hatte bereits in der Vergangenheit die Kompetenzen seiner Regierung stark beschnitten. Seit Monaten lag Bidens Plan, Milliarden von US-Dollar an Studentenkrediten zu erlassen, auf Eis. Untere Gerichte hatten ihn nach Klagen blockiert. Der US-Präsident hatte das Programm im vergangenen Sommer angekündigt und mit den finanziellen Belastungen durch Corona begründet - zu diesem Zeitpunkt war die Rückzahlung von Studentenkrediten bereits wegen der Pandemie ausgesetzt.
Mehr als 40 Millionen Amerikanerinnen und Amerikaner hätten von dem Teilerlass der Studienkredite profitiert. Das unabhängige Budgetbüro des US-Kongresses schätzte, dass dies etwa 400 Milliarden US-Dollar (rund 366 Milliarden Euro) gekostet hätte.
Schuldenerlass zu weitgehend
Biden argumentierte mit einem Gesetz aus dem Jahr 2003, dass die Regierung als Reaktion auf einen nationalen Notstand dazu berechtigt, bestimmte Rückzahlungen von Studienkrediten auszusetzen oder zu ändern. Das Gesetz war im Zuge der Terroranschläge vom 11. September 2011 verabschiedet worden. Der von der US-Regierung geplante umfassende Schuldenerlass sei nun viel zu weitgehend, urteilte der Supreme Court. „Die Frage ist hier nicht, ob etwas getan werden sollte, sondern wer die Befugnis hat, es zu tun“, heißt es in der Urteilsbegründung. Die Kreditnehmer müssen nun damit rechnen, dass sie ihre Rückzahlungen wieder aufnehmen müssen.
Urteil mit Folgen für gleichgeschlechtliche Paare
Entschieden wurde am Freitag in einem weiteren Fall: Jener, einer Webdesignerin, die ihre künstlerischen Dienste auch Hochzeitspaaren anbieten will - allerdings aus Glaubensgründen explizit nicht gleichgeschlechtlichen Paaren. Das Gericht sieht dies von der Meinungsfreiheit gedeckt, die in der Verfassung verankert ist.
Der Fall könnte schwerwiegende Folgen bei Fragen des Schutzes vor Diskriminierung haben. Das Gericht befand, „die Möglichkeit, selbst zu denken und diese Gedanken frei zu äußern“, gehöre zu den am meisten geschätzten Freiheiten der Republik. Die USA seien gemäß der Verfassung ein Ort, „an dem alle Menschen die Freiheit haben, zu denken und zu sprechen, wie sie wollen, und nicht, wie die Regierung es verlangt“. Die liberale Richterin Sonia Sotomayor schrieb in einer abweichenden Meinung: „Unsere Verfassung enthält kein Recht, einer missliebigen Gruppe Dienste zu verweigern.“
Die Klägerin hatte ihre Haltung schon auf ihrer Webseite klarstellen wollen. Dies ist aber nicht vereinbar mit dem Antidiskriminierungsgesetz in ihrem Bundesstaat Colorado. Die Frau klagte deshalb. Der Fall wirft letztlich die Frage auf, ob bestimmte Überzeugungen - in dem Fall religiöse - Gesetze aushebeln können, die Bürgerrechte schützen sollen. Bürgerrechtsorganisationen hatten zuvor gewarnt, dass die nun vom Supreme Court bestätigte Logik so weitergesponnen werden könne, dass Läden oder Dienstleister bestimmten Gruppen wie Frauen oder Schwarzen ihre Angebote verwehren könnten.
Der Fall erinnert an den eines Bäckers, der eine ähnliche Argumentation vorbrachte, weil er gleichgeschlechtlichen Paaren keine Hochzeitstorten verkaufen wollte. Im Jahr 2018 entschied das Gericht im Sinne des Bäckers - ließ aber die grundsätzliche Frage danach unbeantwortet, ob Religion den Schutz vor Diskriminierung aushebeln kann. Im Fall der Webdesignerin ist das Urteil des Supreme Courts nun grundsätzlicher Natur.
Keine „positive Diskriminierung“ mehr
Die beiden Urteile folgen auf eins vom Vortag, bei dem das Gericht faktisch die Berücksichtigung der Hautfarbe bei Bewerbungen für Universitäten für unzulässig erklärte. Auch dies wurde als Niederlage für Biden gewertet, der im kommenden Jahr für eine zweite Amtszeit gewählt werden will. Der Supreme Court entschied, dass die Berücksichtigung der Hautfarbe oder Abstammung von Bewerberinnen und Bewerbern bei der Zulassung an Universitäten verfassungswidrig sei. Die Förderung von ethnischen Minderheiten unter dem Begriff „affirmative action“ sollte die Vielfalt unter den Studierenden fördern. Bidens Regierung und Bürgerrechtsgruppen hatten die Entscheidung des Gerichts heftig kritisiert.
Der Supreme Court ist unter dem früheren republikanischen Präsidenten Donald Trump weit nach rechts gerückt. Bisher hatte das Gericht Bidens Befugnisse deutlich eingeschränkt - etwa bei Impfvorschriften gegen Corona oder dem Umweltschutz. Republikaner begrüßten nun die Entscheidung des Supreme Courts zu Studienkrediten. Es sei ein „Sieg“ für die Menschen in Amerika, schrieb Elise Stefanik aus dem Führungsgremium der Republikaner im Repräsentantenhaus. Das Gericht habe zugunsten „unserer hart arbeitenden Steuerzahler“ entschieden. (APA)