Dutzendneubau statt dörflicher Eigenart: Wie sich ein Vorortskern ins Unkenntliche transformiert.
Es war einmal ein Vorortskern. Mehr schlecht als recht hatte er die Unbilden der Zeiten überdauert. Ein kleines Barockschloss in seiner Mitte war nur in dürftigen Resten auf die Gegenwart gekommen, rundum freilich, entlang der sanft geschwungenen Hauptstraße, hatte sich ein vergangene Bäuerlichkeit atmender Baubestand erhalten, dem bis ans Ende des zweiten Jahrtausends eine Ahnung von marchfeldlerischer Dörflichkeit eignete.
So kam es, wie es hierorts in solchen Fällen öfters kommt: Dem historischen Baubestand ward eine historisierende Straßenbeleuchtung beigesellt – Gaslaternenimitate, auf dass das Historische noch ein bisserl Historischer wirke, als es das ohnehin war.
Weitere Jahren zogen ins vorstädtische Land, die sanft geschwungene Hauptstraße ward immer dichter von Autoverkehr durchflutet, der zu und von der speckgürtlerischen Peripherie drängte; echte und falsche Geschichtlichkeit versanken in einem Verkehrspandämonium aus Staub und Lärm, das wie weiland die Dornenhecken um Dornröschens Schloss den alten Vorortskern in Stillstand barg.

Nun, wo Dornröschen, da ist auch ein Prinz nicht weit; freilich von einem Kuss kann diesfalls keine Rede sein. Der Bau der Stadtstraße, viel umfehdet, wie sie ist, lässt neuerdings für jenen alten Ortskern, den von Hirschstetten, Verkehrsberuhigung erhoffen, und so zeigen sich Baugesellschaften aller Art interessiert, alte Substanz durch neuen Wohnbau zu ersetzen.
Die Folgen sind längst im Transdanubischen geläufig: Dörflicher Altbestand wird Stück für Stück geschleift und durch Allerweltsneubau ersetzt, letzte Inseln von Charakter ins Gesichtslose transferiert. Was soll‘s? Als Erinnerung daran, was da einmal war, bleibt statt des Originalen eh das Nachgebildete zurück – die Nachbauten der Gaslaternen. Geschichte aus zweiter Hand. Auch sehr schön.
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