Dass die Anmeldung eines Klimacamps in Wien zurückgewiesen wurde, war rechtswidrig, urteilte der Verfassungsgerichtshof. Eine Aktivistin wurde in ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit beschnitten.
Wo und in welcher Form Klimaaktivisten ihren Protest ausleben dürfen, ist immer wieder Gegenstand von Debatten. Nun hat sich auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) mit einer solchen Frage beschäftigt. Wie am Dienstag bekanntgegeben wurde, hat das Höchstgericht einer Beschwerde einer Klimaaktivistin stattgegeben. Die Frau hatte „Klimacamps“ in Wien angemeldet, war aber von der Wiener Polizei sowie vom Verwaltungsgericht Wien zurückgewiesen worden. Was dem VfGH zufolge wiederum gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verstößt.
Konkret handelte es sich um Veranstaltungen, die 2016 von der Klimaschutzorganisation „System Change not Climate Change“ ins Leben gerufen wurden und in den folgenden Jahren in und um Wien stattfanden. Dabei werden Workshops, Vorträge, „Summer Schools“, und ähnliche Aktivitäten abgehalten. Auch im heurigen Sommer findet ein solches Klimacamp statt.
Workshops und Kinderbetreuung Streitpunkt
Die Camps waren im Sommer 2021 in Parkanlagen und im „Zukunftshof“ im Bezirk Favoriten geplant. Deren Anmeldung in Form von Versammlungsanzeigen war jedoch zurückgewiesen worden, weil die Abhaltung von Workshops, „Summer Schools“ und ähnlichen Aktivitäten nach Ansicht der Polizei keine Versammlungen, sondern sonstige Veranstaltungen seien, die wiederum nicht von der Versammlungsfreiheit geschützt sind. Auch, dass es bei den Camps Kinderbetreuung angeboten wurde, war Zeichen für die Polizei, dass es sich bei den Camps eben um keine Versammlung handelte. Eine der Organisatoren des „Klimacamps“, Laura Grossmann, legte Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien ein, das diese abwies und damit die Entscheidung der Wiener Polizei bestätigte. Grossmann sah sich durch diese Entscheidung im Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt. Der Fall landete beim VfGH.
Dieser urteilte nun, dass das Programm bei den Klimacamps zwar Elemente einer Veranstaltung aufwies, jedoch „bei einer Gesamtbetrachtung das gemeinsame Wirken der Beteiligten“ überwiege, und diese somit Versammlungscharakter habe. Auch die angebotenen Workshops würden nicht der „Erbauung und Unterhaltung der Anwesenden“ dienen, vielmehr ginge es darum, „ein kollektives Verhalten in demonstrativem Zusammenwirken zur Verfolgung eines gemeinsamen Zieles hervorzurufen“, heißt es in der Aussendung des VfGH. Indem das Verwaltungsgericht den Versammlungscharakter zu Unrecht verneint hat, ohne sich mit den maßgeblichen Gesichtspunkten der angezeigten Zusammenkünfte umfassend auseinanderzusetzen, wurde die Organisatorin des „sechsten österreichischen Klimacamps“ im Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt, so das Höchstgericht.
Bewusst Präzedenzfall geschaffen
Grossmann, zum derzeitigen Zeitpunkt bei „System Change not Climate Change“ aktiv war, sieht sich gegenüber der „Presse“ in der Entscheidung bestätigt: „Es ist klar, dass Grundrechte geschützt werden müssen, dass die Polizei nicht willkürlich Tatsachen schaffen kann.“ Man habe sich damals bewusst dazu entschieden, rechtlich vorzugehen, „um einen Präzedenzfall zu schaffen.“ Denn nach Ansicht der Aktivistin würden insbesondere Klimaproteste immer mehr Hürden in den Weg gelegt.
Klimacamps und andere Klimaproteste anzumelden, sei schon in der Vergangenheit schwierig und oft mit großem Aufwand verbunden gewesen, sagt Grossmann. Ob sich das durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs in Zukunft ändert, könne sie jedoch nicht einschätzen. So heißt es auch beim VfGH, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob die Voraussetzungen einer Versammlung vorliegen.
Für andere Fälle der jüngeren Vergangenheit, bei denen Klimacamps von der Polizei geräumt wurden, ist die jetzige Entscheidung wohl kein Präzedenzfall. Die Camps, die gegen den Bau der Lobautunnel und der Stadtstraße protestierten, waren zunächst als Versammlungen erlaubt, und erst nach mehreren Monaten aufgelöst worden.