Afghanistan: "Taliban sind nicht mehr in der Lage zu kämpfen"

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Österreichs Außenminister Michael Spindelegger informierte sich in der afghanischen Hauptstadt Kabul über die Sicherheitslage. Ein General der internationalen Schutztruppe Isaf gab sich optimistisch.

Langsam schiebt sich der Konvoi an den Kontrollposten vorbei. An den ersten Checkpoints haben sich Soldaten der afghanischen Armee hinter Sandsäcken verschanzt. Die Wand eines Wachhäuschens ziert ein Poster mit dem Konterfei von Ahmed Schah Massud, dem „Löwen vom Pandschir-Tal". Massud hatte die afghanische Nordallianz im Kampf gegen die Taliban geführt, die Ende der 1990er-Jahre Afghanistan beherrschten. 2001 wurde er bei einem Attentat getötet, kurz darauf verübte die al-Qaida die Anschläge vom 11. September in New York und Washington.

Bin Laden und seine afghanischen Gastgeber, die Taliban, hofften mit der Ausschaltung Massuds die Nordallianz führerlos machen zu können. Trotzdem vertrieb die Nordallianz Monate später an der Seite von US-Truppen die Taliban aus Kabul. Seither sind mehr als elf Jahre vergangen. Und in Afghanistans Hauptstadt wächst die Angst, die Taliban könnten zurückkehren.

Der Konvoi bewegt sich im Schritttempo weiter, durch eine schmale Gasse, die von gewaltigen Betonwänden gesäumt wird. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger ist auf dem Weg zu Gesprächen ins Hauptquartier der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf in Kabul. Spindelegger ist derzeit in Afghanistan, wo er Präsident Hamid Karzai, die Spitzen der EU- und der UN-Mission sowie Vertreter der Isaf trifft.

Die Festung der Schutztruppe

Der Compound der Truppe, die von der Nato geführt wird und mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrats operiert, gleicht einer Festung. Wer hinein will, muss zahlreiche Kontrollen passieren. Immer wieder versuchen Aufständische, auch in der Hauptstadt Anschläge durchzuführen. Spezialtruppen der Isaf hoben zuletzt im Großraum Kabul Terrorzellen aus.

Isaf-Sprecher Günter Katz, ein Brigadegeneral, zeigt sich dennoch optimistisch: „Das al-Qaida-Netzwerk in Afghanistan wurde zerstört. Dieser Teil der Aufgabe wurde erfüllt", sagt der deutsche Brigadegeneral bei einem Briefing im Isaf-Hauptquartier.

Die Aufständischen und andere bewaffnete Gruppen seien zwar vor allem im Süden und Südwesten des Landes weiter stark aktiv, hätten aber in den vergangenen Monaten an Schlagkraft eingebüßt: „Sie sind nicht mehr in der Lage, Gefechte zu führen, können nicht mehr Soldat gegen Soldat kämpfen", beteuert Katz. Dafür verübten die Taliban nun mehr Anschläge auf die Bevölkerung, allein 2012 sollen rund 3400 afghanische Zivilisten bei Attentaten getötet oder verletzt worden sein.
Mehrere Vertreter internationaler Organisationen, die namentlich nicht genannt werden wollen, sind indes weniger optimistisch: Die Sicherheitslage sei schlechter als 2009, Taliban würden sich im Großteils des Landes frei bewegen.

Isaf-Mandat läuft 2014 aus

Im kommenden Jahr läuft die Mission der Isaf aus. Die Kampftruppen sollen abziehen, eine Nachfolgemission nur zur Ausbildung und Unterstützung der afghanischen Armee dienen. Auch US-Präsident Barack Obama will die US-Truppen massiv reduzieren und nur Einheiten zur punktuellen Terrorbekämpfung zurücklassen. Für die Sicherheit sind dann nur noch Afghanistans Behörden zuständig. Beobachter fürchten, dass diese dazu nicht imstande sein werden.

Katz widerspricht: „Bald können die Afghanen 90 Prozent der Einsätze selber durchführen." Afghanistan werde nach dem Abzug der Isaf nicht in ein Sicherheitsvakuum fallen. Und das Land werde auch danach nicht alleingelassen. Wie genau die Isaf-Nachfolgemission, die die Afghanen unterstützen soll, aussehen wird, ist aber noch nicht klar. Noch haben auch die USA nicht bekannt gegeben, wie viele Soldaten sie im Land am Hindukusch belassen werden.

"Afghanistan hat eine Chance"

Militärische Sicherheit sei nur ein Teil dessen, was die Zukunft Afghanistans entscheide, meint Spindelegger. Er traf am Freitag auch Vygaudas Usackas, Leiter der hiesigen EU-Mission, die unter anderem für den Aufbau der Polizei zuständig ist, und Jan Kubis, Chef der UN-Mission. Die UN soll einen politischen Übergang unterstützen. Die internationalen Vorbereitungen für die Transition liefen gut, meinte Spindelegger nach den Gesprächen mit Usackas und Kubis. „Afghanistan hat zumindest eine Chance."

Auf einen Blick

Österreichs Außenminister Michael Spindelegger ist derzeit auf Arbeitsbesuch in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Auf dem Programm stand unter anderem ein Treffen mit Präsident Hamid Karzai sowie mit Vertretern der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf. Ab 2014 will Österreich Afghanistan drei Jahre lang mit je sechs Millionen Euro unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2013)

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