Das kreative Netzwerk als Familie

kreative Netzwerk Familie
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Man kennt sich, ist per Du und verbringt auch die Abende miteinander. Der Umgang in der Kreativbranche ist meist freundschaftlich, gar familiär – was nicht nur Vorteile hat.

Die Kreativen sind anders. Sie jammern nicht über ihre Arbeit und selten über ihren Chef – manchmal auch, weil sie keinen haben. „Die Kreativen“, wenn man sie überhaupt alle in einen Topf werfen kann, arbeiten gern, ja lieben gar ihren Job, identifizieren sich mit ihrer Tätigkeit und mögen ihr Umfeld. Sehr sogar. Privat und beruflich lässt sich da nur schwer trennen. Immerhin lebt und arbeitet man unter Gleichgesinnten, die ihren Job nicht des Geldes wegen machen, sondern weil sie das Glück hatten, ihr Hobby zum Beruf zu machen. Finanzielle Einbußen nimmt man gern in Kauf, immerhin kostet Freiheit etwas, auch jene, das zu machen, was man wirklich will – mit denen, die man mag.

So weit das Klischee, das, wie die meisten Klischees, einen wahren Kern hat. Denn auch wenn das Netzwerk eines Designers, einer Modemacherin oder eines Spieleentwicklers nicht unbedingt so etwas wie ein Familienersatz sein muss, kennt man sich dennoch, pflegt einen freundschaftlichen Umgang und ist prinzipiell einmal per Du. Das liegt nicht nur daran, dass es sich bei der Kreativwirtschaft mit all ihren Teilbranchen um recht junge Branchen handelt – in Hinblick auf das Alter der Akteure –, sondern auch an der kleinteiligen Struktur, die eine starke Vernetzung erfordert.


Einzelkämpfer Designer. Wobei die einzelnen Teilbranchen einen recht unterschiedlichen Vernetzungsgrad aufweisen. So sind etwa die Menschen, die in den Bereichen Musik und Mode tätig sind, untereinander sehr gut vernetzt, was aber nicht bedeutet, dass sie das auch zu anderen Branchen – inner- und außerhalb der Kreativwirtschaft – sind. Die Designbranche, die oft als Aushängeschild der Kreativwirtschaft herhalten muss (oder darf), kann das allerdings nicht von sich behaupten. Gerade dort finden sich besonders viele Einzelgänger, speziell bei den Neueinsteigern.

Das hat etwa die Studie „Netzwerke der Kreativwirtschaft in Österreich“ der Netzwerkanalysten FAS.research ergeben. Auch wenn die Ergebnisse aus 2010 stammen, hält sie Studienautor Harald Katzmair nach wie vor für aktuell. „Netzwerke verändern sich nicht von heute auf morgen. Es gibt zwar eine höhere Professionalisierung und neue Entwicklungen wie Co-Working-Spaces, die das Netzwerken fördern. Ansonsten hat sich aber nicht allzu viel verändert“, so Katzmair.

Auch Barbara Wais, die seit 14 Jahren als Grafikerin tätig ist, bestätigt das. Vor allem bei den Jungen vermisst sie die Zusammenarbeit. „Die sind zu sehr mit sich selbst und dem Konkurrenzdenken beschäftigt, als dass sie zusammenarbeiten“, so Wais. Allerdings sei aber genau das wichtig, um erfolgreich zu sein. Gleichzeitig werde aber selten Berufliches von Privatem getrennt. Was sich spätestens wenn es zu Auseinandersetzungen kommt aber fatal auswirken kann. Vertrauen ist zwar gut, von Anfang an Verträge abzuschließen ist jedoch noch besser.

Ähnlich sieht das Gertraud Leimüller, Vorsitzende der arge creativ wirtschaft austria der Wirtschaftskammer Österreich. „Ein Kennzeichen von Erfolg ist, wenn Leute sich leicht tun, Zugang zu unterschiedlichen Netzwerken zu finden. Wer nur in seinem eigenen Saft schmort, hat bald keine Ideen mehr.“ Wobei sie den freundschaftlichen, familiären Strukturen auch einiges abgewinnen kann.

Die braucht es vor allem, um kreativ zu sein. Für das Geschäftliche kann es aber nicht schaden, wenn das Netzwerk etwas weiter reicht – am besten in die klassische Industrie außerhalb der Kreativbranche.


Kreativität setzt ein Milieu voraus. Auch Katzmair sieht in der fehlenden Trennung von privaten und beruflichen Bereichen und der engen Verbundenheit unter den Kreativen Vorteile. „Die Vermischung zwischen Privatem und Beruflichem wird nur dann zum Problem, wenn sie überhand nimmt. Ansonsten ist es von Vorteil, weil Kreativität ein Milieu voraussetzt, man braucht das Umfeld.“ Und: Der Zusammenschluss hat nicht in erster Linie mit Nettigkeit der Akteure zu tun, sondern damit, dass die Jobs meist so riskant und unsicher seien. „Das ist kein Akt der Solidarität, sondern als Versichungsgemeinschaft gedacht.“

Das werde auch daran deutlich, dass – sofern die einzelnen Akteure beruflich erfolgreich und gefestigt sind – der private Vernetzungsgrad zur Community abnimmt. Denn einerseits hat man irgendwann auch genug davon, tagein, tagaus beruflich unterwegs zu sein. Andererseits braucht man sich irgendwann nicht mehr – zumindest nicht rund um die Uhr.

„Es dauert ein paar Jahre, bis man sich sein professionelles Netzwerk aufgebaut hat, aber dann hat man ein verlässliches Umfeld“, sagt auch Grafikerin Wais, die mit fünf Kollegen aus den verschiedensten Branchen regelmäßig arbeitet. Als Familienersatz will sie diese Menschen dennoch nicht sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)

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