Skisport: Die Familienbetriebe

Skisport Familienbetriebe
Skisport Familienbetriebe c GEPA pictures GEPA pictures Christian Walgram
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Im Skizirkus sind viele Athleten erfolgreich, die sich von ihren Verbänden mehr oder weniger lösen.

Es gibt sie, diese Ski-Dynastien. Dieses vererbte Talent und diese vererbte Sucht, der Beste sein zu wollen. Wie in anderen Sportarten zerbrechen daran einige, manche aber starten so richtig durch. Auch bei der alpinen Ski-Weltmeisterschaft in Schladming waren im Zielraum viele Mütter und Väter, die einst hoch dekoriert wurden. Und drückten dem Nachwuchs die Daumen, bangten und zitterten. Wie Harti Weirather, der seiner Tochter Tina beim Bewältigen der Planai auf die Beine schaute. Als leidgeprüfter Papa, der hier im Jahr 1982 Abfahrtsweltmeister geworden ist. Tina ist in Wahrheit schon öfter und länger verletzt gewesen, als sie Weltcuprennen gefahren ist. Für Liechtenstein wohlgemerkt. Das war für sie nie ein großes Problem oder eine schwere Entscheidung. Schladming hat sie wohlbehalten verlassen.

Einer der Mitfavoriten für den heutigen Slalom, dem finalen Highlight im Ennstal, ist Felix Neureuther. Auch er entspringt einer Familie, die auf eine große Ski-Tradition zurückblicken kann. Christian Neureuther hat in seiner Karriere sechs Weltcupsiege errungen, die Mutter war noch viel erfolgreicher. Rosemarie Mittermaier hat sich bei Olympia in Innsbruck 1976 gleich doppelt vergoldet. Sohn Felix, der ein freundschaftliches Verhältnis zu Marcel Hirscher pflegt, ist in diesem Winter ein echter Herausforderer. Er hat den Salzburger auch schon geschlagen. Heute zählt er erneut zu den ernsthaften Gegnern.

Trainer und Kurssetzer. Im WM-Aufgebot der Österreicher stand mit Matthias Mayer der Sohn Helmut Mayers, der zur Motivation des Sprösslings eine olympische Silbermedaille herzeigen kann. Elisabeth Görgl, die in Garmisch-Partenkirchen vor zwei Jahren zweimal Gold gewonnen hat, blickt stolz auf ihre Mutter: Traudl Hecher hat ebenfalls Olympia-Edelmetall daheim, genau genommen zwei aus Bronze.

Viele erfolgreiche Skiteams arbeiten als Familienbetrieb. Das hat die Girardelli-Dynastie schon so gemacht: Der Vater spielte den beinharten Trainer, Sohn Marc siegte für Luxemburg. Ähnlich streitbar die Familie Kostelić. Janica Kostelić hat ihre Karriere bereits beendet, sie begleitet nun ihren Bruder Ivica durch den Weltcup-Zirkus. Vater Ante trainiert ihn, gehört auch zum Kreis der Kurssetzer. In Kitzbühel hat es zuletzt einen Eklat gegeben, weil Ante Kostelić einen „unfahrbaren“ Slalom ausgesteckt haben soll. Er wurde kurzerhand abgesetzt und durch einen Italiener ersetzt.

Und dann gibt es auch noch das System Hirscher – ein System im System, eingebettet in den Österreichischen Skiverband. Vater Ferdinand war der größte Förderer des Ausnahmetalents. Er ist Skischulbesitzer in Annaberg-Lungötz und bezeichnet sich heute als „Unterstützer und Optimierer“. Er ist, was das Skifahren betrifft, die wichtigste Bezugsperson des Teamweltmeisters. Dazu kommen Technik-Betreuer Michael Pircher und Edi Unterberger, der schon als Servicemann für Hermann Maier gearbeitet hat.

Für Marcel Hirscher – mittlerweile zu einem der großen Stars der alpinen Sportlerszene gereift –, dessen Mutter Niederländerin ist, gelten eigene Spielregeln. Auch bei der Weltmeisterschaft in Schladming ist das so. „Extrawurst“, sagt der 23-jährige Salzburger selbst. Er wohnt nicht beim Team, er ist immer wieder nach Hause gefahren, seine Lebensgefährtin Lara darf ihn immer wieder bei den Rennen begleiten.

Der Sportler des Jahres, der es bislang auf 18 Weltcupsiege gebracht hat, geht heute als großer Favorit in den Schlussbewerb. Der Torlauf, das ist die wahre Paradedisziplin von Marcel Hirscher. „Ich fühle mich befreit“, hat er nach dem Gewinn der Silbermedaille im Riesentorlauf gesagt. „Meine Schultern sind wieder frei, der Druck ist weg.“ Teamgold, das sei in den Augen der Öffentlichkeit eine Selbstverständlichkeit gewesen. „Und jetzt wollten alle die nächste Medaille. Wobei Silber das Minimum gewesen ist.“ Das müsse man alles erst einmal bewältigen. „Ich habe das mit der WM ein wenig unterschätzt. Das ist Stress pur – und das kostet enorme Energie.“

Der Absolvent der Hotelfachschule in Bad Hofgastein war nach dem Bewerb am Freitag richtig aufgewühlt. „Das war alles so emotional“, sagte er. „Ein tolles Erlebnis, ich freue mich so wahnsinnig. Ich wollte die Zuschauer – wenn ihr so wollt, dann die Nation – nicht enttäuschen.“ Ähnliche Worte hat man noch von einer Petra Kronberger bei der Heim-WM in Saalbach 1991 im Ohr. „Ich habe meine Pflicht erfüllt“, hat sie damals gesagt. In Schladming ist sie Mitglied des Organisationskomitees, zuständig für die kulturellen Rahmenprogramme. Und für die Schlusszeremonie.

Zum Genießen. „Mein Soll ist erfüllt“, sagte Hirscher. „Was jetzt noch kommt, das ist eine Draufgabe.“ Darum will der Salzburger den Slalom einfach nur genießen. Um im Schwung zu bleiben, wurde am Samstag wieder ordentlich trainiert, die Piste hatte Ferdinand Hirscher präpariert. Dafür hat Vater „Ferdl“ sogar auf die Siegerehrung auf dem „Medal Place“ in Schladming verzichtet.

Als einen der gefährlichen Herausforderer sieht Marcel Hirscher einen Teamkollegen. Es handelt sich um Mario Matt, der bereits bei der WM 2001 in St. Anton und bei den Titelkämpfen 2007 in Åre Gold gewonnen hat. Er hat die Chance, Geschichte zu schreiben und könnte sich als erst zweiter Athlet nach Ingemar Stenmark zum dreimaligen Slalom-Champion küren. Der 33-Jährige aus Flirsch stand im Weltcup heuer bereits zweimal auf dem Podest, „zwei perfekte Läufe sind mir aber noch nicht gelungen“. Der beste Rennski ist vor Kitzbühel kaputtgegangen. „Wir haben etwas Neues gefunden.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2013)

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