Die Luxusstrategie von Mercedes erregt die Gemüter, ist aber nicht Neues. Sie geht, wie auch der Markenname, auf den Österreicher Emil Jellinek zurück, der vor 105 Jahren im Schweizer Exil starb.
Mit der Ankündigung, in der Zukunft ganz auf Luxus zu setzen, hat sich Mercedes nicht nur Freunde gemacht. In Deutschland wird die Strategie von Landespolitikern offen kritisiert. Denn absehbar bedeutet die strenge Fokussierung auf Marge ein verringertes Volumen – und damit weniger Belegschaft und Arbeitsplätze. Luxus statt leistbar – so lautet allerdings schon das Motiv, als die Marke gegründet wurde. Und dabei spielte ein Wiener die tragende Rolle.
Bergrennen. Emil Jellinek wollte keine Autos für die Massen, er wollte mehr Power. Nun waren Autos zu seiner Zeit, zu Beginn des 20. Jahrhunderts, ohnehin keine Transportmittel für breitere Bevölkerungsschichten – mehr Spielzeug für Reiche, mussten sie zudem noch beweisen, dass sie als verlässliche Transportmittel überhaupt tauglich waren in der Konkurrenz zu Bahn, Pferd und Kutsche. Der Beweisführung diente der Wettbewerb – etwa Bergrennen, bei denen Konstrukteure wie Ferdinand Porsche am Semmering die Leistungsfähigkeit ihrer Vehikel demonstrierten.
Emil Jellinek, Sohn eines Wiener Rabbiners und seiner aus Budapest stammenden Ehefrau, blieb den akademischen Erfolg seiner zwei Brüder schuldig, engagierte sich im aufkommenden Radsport und bewies ein gutes Händchen in Handelsgeschäften, etwa mit dem Import von Zitrusfrüchten aus Spanien. Über die Faszination des Radsports kam er zum Automobil und damit bald zum Hersteller Daimler. Der hatte einigen Erfolg, an dem die standfesten Zweizylindermotoren eines gewissen Wilhelm Maybach aus Cannstatt in Stuttgart großen Anteil hatten. Jellinek, dessen rascher Wohlstand ihm einen Wohnsitz in Nizza ermöglichte, stieg in den Handel mit Autos von Daimler ein. Allerdings mit der Forderung nach stärkeren Motoren. So drängte er Maybach dazu, endlich einen Vierzylinder zu bauen. Er argumentierte das mit der Option, auf diese Wiese auch Autos an den Kaiserhof verkaufen zu können. Wie bei einer Kutsche bräuchte es dazu schon vier Zugpferde, um in Frage zu kommen. Und Maybach lieferte schließlich.
Der Kaiser und seine Entourage, wie überhaupt der größte Teil des höheren Adels, blieben dem Automobil gegenüber skeptisch bis ablehnend. Doch Jellinek wagte die bislang größte Einzelbestellung bei Daimler und ging dabei ein erhebliches finanzielles Risiko ein. Das neue, bis ungeheure 35 PS starke Modell feierte 1901 einen spektakulären Einstand bei der „Woche von Nizza“, als dort Bergrennen nach La Turbie abgehalten wurden. Das neue, nach Jellineks Tochter Mercedes benannte Vierzylindermodell dominierte den prestigeträchtigen Bewerb nach Belieben. Jellinek wurde die georderte Stückzahl spielend los und in der Folge zur dominierenden Figur im Aufbau der neuen Marke, die Daimler 1902 unter dem Namen Mercedes eintragen ließ.
Nicht alles jedoch gelang Jellinek, und wenige Jahre später zog er sich aus dem Automobilgeschäft zurück. Während des Weltkriegs als Spion bezichtigt und weder in Österreich noch in Frankreich willkommen, starb er 1918 in Genf. Tochter Mercedes Jellinek, die nie einen Führerschein besaß, ist auf dem Wiener Zentralfriedhof begraben.
