Verdächtiger, als wenn man auf dem Friedhofsparkplatz im Auto schläft, kann man sich nicht machen – an der Schnittstelle von Kaliningrad, Litauen und Polen.
Die „Suwalki-Lücke“ ist ein dünn besiedelter Landstreifen zwischen der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad und dem russisch kontrollierten Belarus. Die Verbindung zwischen den EU-und Nato-Staaten Polen und Litauen ist hier nur 65,4 Kilometer breit. Der Obmann des Verteidigungsausschusses der russischen Duma sagte neulich, die in Belarus trainierenden Wagner-Söldner seien „bereit, diesen Korridor innerhalb weniger Stunden einzunehmen“. Eine Studie der US-Denkfabrik Rand aus dem Jahr 2016 kam auf 36 bis 60 Stunden, die All-Out-Simulation der polnischen Armee vom Winter 2020/21 auf fünf Tage. Suwalki ist die offene Wunde der Nato.
Ich will mir vor Ort anschauen, welchen Weg Putins Panzerkolonnen im Fall des Falles nehmen könnten. Die gute Nachricht ist, dass beide Enden des Suwalki-Korridors in weite unpassierbare Waldmassive münden. Wenn sich die russische Streitkraft nicht mit der Einnahme der Städte Marijampole und Suwalken (47.000 und 70.000 Einwohner) aufhalten will, müsste sie die Naturparks außen umfahren, dann aber auf die kürzere polnisch-litauische Grenzlinie einschwenken.
Meine Simulation geht von einer Invasion aus Kaliningrad aus. Variante 1 ginge nach Litauen, am in Russland auch „europäischer Baikal“ genannten Wystiter See vorbei. Das litauische Seedorf Vyštytis betört mit seinen alten Holzhäusern. Eine Straße nach Russland existiert, ist aber von einem Blechzaun durchschnitten. Am Ufer ein EU-Radweg, nur ein paar hundert Meter lang, mit geschwungenen Rastbänken und Radständern. Touristen wagen sich seit dem 24. Februar 2022 kaum noch her.
Die Panzer blieben in Kalvarija stecken
Litauen bewacht die Grenze durchaus, vor der Spähturm-Kleinkaserne sind auch bei Nacht Kombis geparkt, ansonsten lässt die Wachsamkeit zu wünschen übrig: Verdächtiger als einer, der beim Plumpsklohäusel am Friedhofsparkplatz im Auto schläft (ich), kann man sich kaum machen. Der schnauzbärtige Wächter, der mit seinem Schäfer patrouilliert, blickt aber hektisch über mich hinweg. Die Straße nach Osten ist perfekt ausgebaut. Dank des verqueren Baustellenmanagements an der Via Baltica blieben die Panzer erst in Kalvarija stecken.