Wie nah war Hitler der Atombombe? Zehn prominente deutsche Atomphysiker, darunter Werner Heisenberg und Otto Hahn, wurden 1945 im englischen Landsitz Farm Hall interniert und abgehört. Die Protokolle der Lauschaktion wurden nun neu veröffentlicht.
Mythos und Wirklichkeit rund um die Entwicklung einer Atombombe für das verbrecherische Hitler-Regime rühren an eine der spannendsten Fragen rund um die moralischen Grenzen naturwissenschaftlicher Arbeit. Es geht um jene Gruppe hochkompetenter deutscher Forscher, die offenbar bereitwillig und in voller Absicht für das nationalsozialistische Deutschland an atomaren Massenvernichtungswaffen arbeiteten. Stellten sie ihre wissenschaftliche Karriere allem voran, ohne Rücksicht darauf, wie verheerend die Auswirkungen sein würden und welche Ziele ihr Land damit verfolgte? Oder leisteten sie im Gegenteil erfolgreich Widerstand, indem sie ihre Forschungen verlangsamten, um Hitler die Atombombe vorzuenthalten, wie sie nach dem Krieg behaupteten? Es geht um die Ehre und Glaubwürdigkeit der deutschen Wissenschaft im Krieg.
Ein besonders umstrittener Teil dieser Geschichte ist die Lauschaktion, die unter dem Decknamen „Operation Epsilon“ Berühmtheit erlangte. Der Ort war Farm Hall, ein englischer Landsitz nordwestlich von Cambridge. Während des Zweiten Weltkriegs nutzte der britische Geheimdienst das Gebäude zur Ausbildung von Agenten. Bekannt wurde es aber vor allem, weil hier vom 3. Juli 1945 bis zum 3. Jänner 1946 zehn deutsche Kernphysiker interniert waren. Da sie keinen militärischen Rang hatten, waren sie nicht als Kriegsgefangene, sondern als „Gäste Seiner Majestät“ eingestuft. Waren sie gleichsam auf „Urlaub“? Eine US-Spezialeinheit hatte sich im April 1945 beeilt, die zehn aufzugreifen, bevor sie den vorrückenden französischen Einheiten in die Hände fielen.