Homosexuelle: Rückenwind für Rechte von Lesben

(c) EPA (Andrea Bruce Woodall)
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Das EGMR-Urteil zur Stiefkindadoption dürfte die Forderung nach Öffnung der künstlichen Befruchtung stärken. Der Verfassungsgerichtshof entscheidet noch heuer.

Wien. Was kommt als Nächstes? Das ist das Motto, unter dem die Debatte über Familie und gleichgeschlechtliche Paare steht. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Stiefkindadoption durch Homosexuelle ist nur Teil eines größeren Gleichstellungsprozesses, den die Gerichte in Österreich derzeit maßgeblicher als die Politik bestimmen.

Noch heuer wird eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs zu der Frage, ob lesbische Frauen künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen dürfen, erwartet. Das EGMR-Erkenntnis wirkt sich zwar nicht direkt auf den Fall aus, aber natürlich würden EGMR-Entscheidungen berücksichtigt, heißt es aus der Pressestelle des Verfassungsgerichtshofs (VfGH). Auch in diesem Fall klagt ein lesbisches Paar, dass es im Vergleich zu einem heterosexuellen diskriminiert wird. Das Urteil aus Straßburg passt insofern gut dazu, als es klarstellt, dass auch zwei Mütter rechtlich anerkannte Eltern sein können. Damit ist quasi vorab eine Frage beantwortet, die sich nach einem Bejahen der künstlichen Befruchtung für Lesben stellen würde.

Auch Christiane Druml, Leiterin der Bioethikkommission, glaubt, dass das EGMR-Urteil einen gewissen Rückenwind für ein „Ja“ des VfGH erzeugt. „Es wird immer klarer, dass man diese Themen aktiv in Österreich diskutieren muss. Es ist vernünftiger, es selbst zu tun, als immer auf einen Anstoß von außen zu warten.“ Die Bioethikkommission, die das Bundeskanzleramt in diesen Fragen berät, hat sich in ihrer Empfehlung bereits für eine Öffnung der künstlichen Befruchtung und die Möglichkeit einer Adoption (auch fremder Kinder) für homosexuelle Paare ausgesprochen. Druml fordert über aktuelle legistische Reparaturarbeiten hinaus einen großen Reformdialog zum Thema Familie. Im Mai ist ohnehin eine parlamentarische Enquete für Bioethik und Fortpflanzungsmedizin geplant – „da wird man auch über Adoption reden müssen“.

Politik handelt auffallend rasch

Bemerkenswert ist, dass die Politik diesmal das Urteil des EGMR rasch umsetzen will. Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) kündigte dies noch am Tag des Urteils an. Bereits im März soll die Regierungsvorlage stehen. Zum Vergleich: Im Februar 2011 urteilte der EGMR, dass ledige Väter in Österreich diskriminiert werden. Die Politik novellierte das Gesetz nicht. Erst als der VfGH im Juli 2012 das Gesetz kippte, einigte sich die Regierung auf neue Sorgerechtsregeln, die jetzt, im Februar 2013, in Kraft traten. Gerade noch rechtzeitig, weil die vom VfGH verfügte Aufhebung des Gesetzes sonst schlagend geworden wäre.

Der EGMR kann Österreich immer nur verurteilen, aber nicht in den Gesetzestext eingreifen. Dass die Regierung nun schnell handelt, liegt zum einen daran, dass SPÖ-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek das jetzige Urteil (im Gegensatz zum Sorgerechtsurteil) ideologisch gelegen kommt. Zudem will ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl das Thema Adoption offenbar rasch erledigt sehen. Damit kann die ÖVP kontern, wenn sie im nahenden Nationalratswahlkampf von linker Seite als nicht modern genug bekrittelt wird.

ÖVP-Chef Michael Spindelegger war nach „Presse“-Informationen in die Entscheidung der Justizministerin eingebunden. Innerhalb der ÖVP rechnet man damit, dass die Umsetzung des Urteils auch zu keiner Irritation von konservativen Wählerschichten führen wird. Schließlich bleibe das Recht der Adoption auf Stiefkinder des homosexuellen Partners beschränkt. Weiterhin wird es gleichgeschlechtlichen Paaren nicht möglich sein, fremde Kinder zu adoptieren.

Die SPÖ will trotzdem weiterhin auf das Thema Homosexualität setzen, um Wählerschichten zu mobilisieren. So fordert Heinisch-Hosek die völlige Gleichstellung von homo- und heterosexuellen Paaren.

Auf einen Blick

Der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg verurteilte Österreich, weil es homosexuellen Paaren untersagt ist, das Kind des Partners zu adoptieren. Die rot-schwarze Koalition will diese Diskriminierung nun rasch abschaffen. Das Urteil dürfte die Chancen eines lesbischen Paares, das beim Verfassungsgerichtshof für künstliche Befruchtung kämpft, erhöhen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2013)

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