Nach dem Rücktritt von Premier Borissow und seines Kabinetts ist nun Staatspräsident Plewneliew am Zug. Er könnte Neuwahlen ausrufen. Unterdessen halten die Massenproteste weiter an.
Das bulgarische Parlament hat am Donnerstag den Rücktritt der Regierung unter Ministerpräsident Bojko Borissow angenommen - mit 209 zu fünf Stimmen. Ein Abgeordneter enthielt sich der Stimme.
Davor hatten die drei größten Parteien - Borissows GERB (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens), die oppositionelle Sozialisten von BSP und die ebenfalls oppositionelle, türkische Minderheitenpartei DPS (Bewegung für Rechte und Freiheiten) - erklärt, dass sie kein Mandat zur Bildung einer neuen Regierung unter demselben Parlament, also ohne vorherige Wahlen, annehmen werden.
Dennoch muss Staatspräsident Rossen Plewneliew zunächst der Reihe nach das Mandat an die drei Gruppierungen erteilen. Es wird erwartet, dass sich Plewneliew noch am Donnerstag dazu offiziell äußern wird. Falls alle drei Parteien das Mandat zurückgeben, muss der Präsident Neuwahlen ankündigen, die innerhalb von zwei Monaten stattzufinden haben. Er muss das Parlament entlassen und eine Übergangsregierung beauftragen, welche die Parlamentswahl vorbereitet.
Demonstrationen halten an
Zeitgleich gehen trotz des Regierungsrücktritts die Proteste in ganz Bulgarien weiter. In ihren Forderungen sind die Demonstranten nicht einheitlich. Als Kundgebungen gegen Armut und hohe Stromrechnungen begonnen, werden die Stimmen für eine Verfassungsänderung oder eine Änderung des Parteiensystems mit weniger Abgeordneten und mehr Vertretern aus der Zivilgesellschaft in allen staatlichen Kontroll- und Regulierungsbehörden immer lauter.
In der Debatte vor der Abstimmung hatte Vizepremier und Innenminister Tsvetan Tsvetanow gesagt: "Wir entschuldigen uns bei den Bulgaren, die nicht die Politik bekommen haben, die sie sich erhofft hatten. Aber wir haben alles Erdenkliche getan, um Finanzstabilität zu sichern." Ex-Premier und Sozialistenchef Sergej Stanischew schlug indes sogleich Wahlkampftöne an: Bulgarien sei dem wirtschaftlichen Zusammenbruch nahe. Die Arbeitslosigkeit sei enorm hoch, "in allen Bereichen herrschen Monopole", sagt er.
Laut einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage, unterstützen 92 Prozent der Bulgaren die Proteste, obwohl 84 Prozent der Befragte nicht daran aktiv teilnehmen. Das berichtete die Nachrichtenagentur AFP am Vormittag. Die Demonstranten fordern eine "Verstaatlichung" der "Monopole". Den bulgarischen Strommarkt teilen sich die österreichische EVN und CEZ und Enero Pro aus Tschechien. Die EU-Kommission hat Bulgarien wegen mangelnder Liberalisierung seines Energiemarktes kritisiert.
(APA)