Wie die USA Österreich für Zugriff auf Polizeidaten unter Druck setzten

Rückblick. 2009 wollte Washington Einblick in Wiens DNA- und Fingerabdruckdatenbanken. Man drohte mit dem Ende der Visafreiheit.

Wien/Awe. Geht es um Sicherheitspolitik, bedienen sich die USA zum Erreichen ihrer Ziele aller denkbaren Mittel. Nicht nur – wie jetzt – in Brüssel. Auch in Wien hat man damit schon so manche Erfahrung gemacht. Basierend auf der 9/11-Gesetzgebung während der Amtszeit von US-Präsident George W. Bush entwickelte Washington vor wenigen Jahren den Plan, Zugriff auf die DNA- und Fingerabdruckdateien bestimmter Länder zu bekommen. Bei einem (behaupteten) Verdacht auf schwere Straftaten oder Terrorismus sollten die Partnerländer bekannt geben, welche Informationen sie zur überprüften Person, zur sichergestellten DNA-Spur oder zu einem gefundenen Fingerabdruck in ihren Akten haben. Die Rede war vom sogenannten PCSC-Abkommen (die Abkürzung steht für Preventing and Combating Serious Crime).

„Die Presse“ veröffentlichte 2009 und 2010 die geheimen Schriftwechsel zwischen den Ländern. Darunter befand sich auch ein Papier, in dem ein ranghohes Mitglied des US-Nachrichtendienstes NSA, Stewart Baker, Österreich ein erstes und unmissverständliches Ultimatum stellte. Entweder unterschreibe Wien den Vertrag bis Ende 2009, oder die Visafreiheit für in die USA reisende Österreicher werde fallen.

Die US-Botschaft in Wien dementierte, bezeichnete den Bericht als „falsch“ und „unrichtig“. Tatsächlich ließ sich das Vorgehen Washingtons durch Regierungsunterlagen aus Wien detailgetreu nachzeichnen. In der Zwischenzeit hatte man nämlich längst nachgelegt. In einer als „Secret“ klassifizierten Depesche drohten die USA Österreich erneut mit „potenziell unerfreulichen Konsequenzen“ in Bezug auf die Visafreiheit, wenn man den Vertrag nicht bis Ende 2010 unterschreibe. Konkret warf man den Verhandlern vor, die US-Bestrebungen mit Verzögerungstaktik „unterminieren“ zu wollen.

Nicht besonders loyal

Schon damals befürchtete Brüssel, die USA könnten EU-Mitglieder auf bilateraler Ebene gezielt unter Druck setzen, um eine europäische Lösung mit strengem Datenschutz zu umgehen. Der Verdacht bestätigte sich, der Leiter der Abteilung „Polizeikooperation und Informationszugang“ in der Kommission, Joaquim Nunes de Almeida, bezeichnete Wiens Vorgehen laut Aktenlage als „nicht besonders loyal“.

Karrierebewusste Diplomaten, das Außenministerium und das Bundeskanzleramt zogen die Angelegenheit trotzdem durch. Das Abkommen trat 2012 in Kraft.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2013)

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