Handelsexperte: "Maschine Amazon funktioniert perfekt"

Handelsexperte Maschine Amazon funktioniert
Handelsexperte Maschine Amazon funktioniert(c) REUTERS (� Michael Dalder / Reuters)
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Die Kunden werden auf Amazon nicht verzichten, sagt der deutsche E-Commerce-Fachmann Heinemann im Gespräch mit DiePresse.com.

DiePresse.com: Wie wird sich der Fall Amazon auf das Image des Einzelhandels auswirken?

Gerrit Heinemann: Ich glaube, die negativen Auswirkungen werden sich sehr in Grenzen halten. Denn Amazon hat keinen Rechtsverstoß begangen. Dies wird in der Öffentlichkeit auch relativ schnell aufgeklärt, zumal Amazon die Kunst des Krisenmanagements gut beherrscht. Das Unternehmen geht mit der Causa sehr professionell und transparent um. Einen möglichen Schaden halte ich für sehr begrenzt. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die schlechte Presse, als es um die Arbeitsbedingungen beim Lebensmitteldiscounter Lidl gegangen war. Alles hat sich sehr schnell beruhigt. Ich rate aber vor allem den Händlern, die jetzt mit dem Finger auf Amazon zeigen, aufzupassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgeht. Es geht nämlich um mehr, um den Einzelhandel insgesamt und um das Thema Zeitarbeit in dieser Branche im speziellen.

Und die Konsequenzen für Amazon?

Amazon belegte 2012 bei der Beurteilung der Kundenzufriedenheit den ersten Rang. Die Firma hat einen exzellenten Ruf, denn aus Kundensicht funktioniert die Maschine perfekt. Die Kunden werden auf Amazon nicht verzichten. Sie finden viele Produkte nur mehr bei Amazon. Auch wenn das Geschrei derzeit laut ist, es wird bei den Endkunden nicht ankommen.

Wie ehrlich wird die Diskussion geführt?

Die Diskussion um Amazon läuft nicht ehrlich ab. Wir wissen, dass die Firma Apple noch viel schlimmer ist und Zulieferer von den Apple-Produkten echte Sklavenarbeit machen. Da kräht kein Hahn danach. Gibt es einen Kunden, der deshalb auf sein Apple-Gerät verzichtet? Die iPhone-Quote im deutschen Bundestag ist sehr hoch, doch kein Mitglied verzichtet trotz der Beanstandungen bei Apple auf das Gerät.

Hätte sich Amazon nicht mehr um seine Dienstleister kümmern sollen?

Sorry, aber immerhin ist das Unternehmen Trenkwalder im vergangenen Jahr als bester Arbeitgeber Deutschland ausgezeichnet worden und das sogar von der jetzt aufschreienden Arbeitsministerin.

Handelsexperte Maschine Amazon funktioniert
Handelsexperte Maschine Amazon funktioniert(c) REUTERS (� Michael Dalder / Reuters)

Wie beurteilen Sie die Reportage der ARD?

Für mich hat die ARD mit der Amazon-Berichterstattung einen ganz großen Fehler gemacht. Das Thema wurde im Bericht nicht neutral dargestellt. Es wurden ganz bewusst Szenen gefilmt, bei denen der Zusammenhang fehlte; so wie Leute, die angeblich auf einer Couch schliefen statt im Bett. In Wirklichkeit handelte es sich um einen Mittagsschlaf. Das war nicht ganz smart von der ARD, das wird nicht funktionieren. Das Rauschen im Blätterwald um Amazon wird sich bald glätten.

Wird die vielgescholtene Zeitarbeit ein Tool der Zukunft?

Ja, Zeitarbeit betrifft alle Branchen und wird sich noch weiter ausdehnen. Das Thema kommt aus Unternehmersicht durch zu restriktive Arbeitsgesetze zustande, die so ein Stück weit umgangen werden. Unternehmen können sich nicht in die Situation begeben, Mitarbeiter auf ewig fest anzustellen, die sie dann nicht mehr loswerden. Aber Zeitarbeitsfirmen ermöglichen diese Flexibilität, auch wenn diese teurer sind. Obwohl der stationäre Einzelhandel häufig diese legale Maßnahmen nicht genutzt hat. Im Gegenteil, Händler haben oft eine feste Mannschaft ein ganzes Jahr durchgefüttert, nur um die Saisonspitze im Dezember abzudecken zu können und sind damit betriebswirtschaftlich gescheitert. So betrifft die Abdeckung von solchen enormen Kapazitätsspitzen wie in einem Weihnachtsgeschäft viel mehr Firmen als nur Amazon.

Zur Person

Gerrit Heinemann, Jahrgang 1960, studierte BWL mit Schwerpunkt Marketing und Handel an der Universität in Münster. Die meiste Zeit seiner Handelslaufbahn verbrachte er bei der Douglas Holdung AG. 2004 begann er seine wissenschaftliche Laufbahn und erhielt 2005 einen Ruf zum Professor für BWL, Management und Handel an die Hochschule Niederrhein. Hier war er 2010 Gründungsmitglied des fachbereichsübergreifenden eWeb Research Centers, das er mit leitet.

(herbas)

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