Italien droht der politische Totalschaden

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Europa schaudert vor einem Comeback Silvio Berlusconis. Selbst wenn der Ex-Premier nicht an die Macht zurückkehrt, könnte er im Parlament Reformen blockieren. Und das würde die Euro-Krise wieder verschärfen.

Rom/Wien/Basta., pk. Gebannt blickt ganz Europa an diesem Wochenende auf Italien. Denn wenn die Bürger des Belpaese am Sonntag und Montag ein neues Parlament wählen, bestimmen sie nicht nur über ihr eigenes politisches Schicksal. Der Ausgang der Wahl in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone könnte sich negativ auf die gesamte Wirtschaft der Währungsunion auswirken – und somit auch die Zukunft der Einheitswährung bestimmen.

Gerade erst schien der Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise überwunden. Italien könnte diese leichte Erholung nun wieder rückgängig machen: Groß ist die Angst, dass das hoch verschuldete Land nach der einjährigen Reformkur des Technokraten-Premiers Mario Monti wieder ins Chaos stürzt. Größter Unsicherheitsfaktor ist da wieder einmal Medienzar Silvio Berlusconi. Der wegen unzähliger Skandale und Misswirtschaft längst politisch totgesagte Ex-Premier hat zuletzt in Umfragen überraschend schnell aufgeholt und liegt nur knapp hinter Pier Luigi Bersani, den Kandidaten der Mitte-links-Allianz.

Monti geht, Probleme bleiben

In Brüssel und Berlin versucht man die Nervosität zu vertuschen und diplomatisch die Italiener vor einem Comeback des Cavaliere zu warnen. Wie angespannt die Stimmung ist, zeigen aber die internationalen Märkte. Sobald Berlusconi anfing, in den Umfragen zuzulegen, schnellten die Zinssätze für italienische Staatsanleihen in die Höhe, und die Börsenkurse sanken. Dass der Medienzar mit seiner laxen und intransparenten Budgetpolitik maßgeblich für die Schuldenkrise seines Landes verantwortlich war, haben die Börsen nicht vergessen – im Gegensatz zu vielen Italienern.

Im letzten Jahr hat es der seriöse Wirtschaftsprofessor Mario Monti durch seine Technokraten-Regierung mit Müh und Not geschafft, die internationale Glaubwürdigkeit des Landes wiederherzustellen und damit Märkte zu beruhigen. Brüssel, Berlin, Paris, der Internationale Währungsfonds, sie sehen ihre Erwartungen erfüllt: Monti habe den Haushalt gefestigt, die nötigen Reformen angestoßen; Italien sei auf dem richtigen Weg in die Zukunft. Die Zinslast für Italiens Staatsschulden hat sich halbiert, das Land ist kein Spekulationsobjekt mehr. Das beruhigt ungemein, auch den Rest Europas.

Italiens Probleme hat er aber längst nicht gelöst. Italiens Gesamtverschuldung – mit 126 Prozent die zweithöchste der Eurozone – steigt weiter. Bei den Bürgern ist von einer Wende zum Positiven sowieso nichts angekommen. Sie sehen die seit drei Jahren andauernde Rezession fortschreiten, ihre Ersparnisse dahinschmelzen, ihre Löhne auf das Niveau von vor zwanzig Jahren zurückfallen. Sie spüren in den Familien, wie die Arbeitslosigkeit zunimmt. Am stärksten ist just in Montis Ära die Jugendarbeitslosigkeit gestiegen: von 28 auf 36,6 Prozent. Grund dafür ist, dass der Ex-EU-Kommissar Monti, der unentwegt von Zukunftssicherung sprach, die Liberalisierung des Arbeitsmarktes nur halbherzig durchgebracht hat – aus Angst, die Gewerkschaft gegen sich aufzubringen. Doch hinter den Arbeitslosenzahlen steckt das Schicksal zehntausender Menschen, die keine Zukunft mehr sehen. Und das Vertrauen in die Politik längst verloren haben.

Traumverkäufer und Gaukler

Das erklärt auch, wieso Traumverkäufer und Gaukler wie Silvio Berlusconi und Beppe Grillo punkten. Wenn Berlusconi den von der Krise geplagten Familien die Rückzahlung der verhassten Immobiliensteuer verspricht, trifft er einen sensiblen Punkt. Ebenso wenn Fundamentalkritiker Beppe Grillo droht, das „politische System in die Luft zu sprengen“.

Doch es ist nicht nur das Erstarken der reformunwilligen Populisten, das EU-Politikern Kopfzerbrechen bereitet. Mindestens genauso abschreckend ist das Szenario, dass Italien durch unklare Mehrheiten in eine politische Starre verfallen und in den nächsten Monaten unregierbar werden könnte. Hinter den Kulissen wird in Rom schon mit Neuwahlen im Herbst gerechnet. Eine monatelange Totalblockade kann sich das dringend reformbedürftige Italien derzeit am wenigsten leisten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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