In memoriam: Wolfgang Sawallisch, Kapellmeister

memoriam Wolfgang Sawallisch Kapellmeister
memoriam Wolfgang Sawallisch Kapellmeister(c) EPA (HERRMANN WOESTMANN)
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Der Bayerische Generalmusikdirektor, einst auch Chefdirigent der Wiener Symphoniker und des Philadelphia Orchestra, starb im 90. Lebensjahr.

Dass das Wort Kapellmeister nichts Abwertendes enthält, sondern in Wahrheit ein Ehrentitel ist, hat man zuletzt von Christian Thielemann erfahren, der lieber so, denn als „Maestro“ angesprochen wird. Was ein echter Kapellmeister ist, vor allem, was er können muss, das konnte die Musikwelt an einem Mann studieren, der über lange Jahre vor allem die musikalischen Geschicke seiner Heimatstadt München geprägt hat.

Wolfgang Sawallisch war der Prototyp eines Kapellmeisters, einer, der sein Handwerk von der Pike auf gelernt hat und eine Operneinstudierung mit den Sängern, arbeitend vom ersten Ton an, zu erarbeiten imstande war. Dass der am 26. August 1923 in München geborene Sawallisch auch als Pianist Preise gewonnen hat, nachdem er kurz nach dem Zweiten Weltkrieg als Meisterschüler die Münchner Musikhochschule verließ, daran erinnerte er seine Verehrergemeinde immer wieder. Im Nationaltheater setzte er sich gern an den Flügel, wenn bedeutende Sänger Liedmatineen gaben.

Die Sänger schwärmten vom „Begleiter“ Sawallisch, der sie auf Händen trug, gleich, ob als Pianist oder als Dirigent, wenn er über seine Staatskapelle verfügte wie ein Organist über sein exzellent registriertes Instrument. Höchste Kompetenz waltete, wenn dieser Künstler am Werk war. Vor allem das musiktheatralische Schaffen Richard Wagners und Richard Strauss' beherrschte Sawallisch wie kaum einer. Legendär sind die zyklischen Aufführungen in der Ära Sawallisch, die in München von den beginnenden Siebziger- bis in die frühen Neunzigerjahre dauerte – ganz gleich, ob August Everding, Partner und Widersacher, als Intendant ihm gerade übergeordnet war oder nicht: Wenn Sawallisch ans Pult trat, dann war die Münchner Opernwelt im tiefsten Sinne des Wortes in Ordnung – und sie diente den drei Säulenheiligen gleichermaßen, denn neben Wagner und Strauss pflegte dieser Künstler auch Mozart in magistraler Beherrschung.

Doch war Wolfgang Sawallisch auch im Konzertsaal eine prägende Persönlichkeit. In Wien stand er in den Sechzigerjahren an der Spitze der Symphoniker – betrat aber die Staatsoper nicht. In Genf und zuletzt in Philadelphia pflegte er neben dem klassisch-romantischen Kernrepertoire auch weniger beackerte Gebiete und schaffte es als Nachfolger Riccardo Mutis bei dem amerikanischen Spitzenensemble sogar, die sonst als lästige Pflicht empfundene Einbindung zeitgenössischer US-Kompositionen zu einer spürbar mit Engagement betriebenen Angelegenheit zu machen.

Musikalische Treue jenseits des Jetsets

Von einer Jetset-Karriere, die ihm offengestanden wäre, hielt er wenig. Es ist bezeichnend, dass er bei Bindungen zu Sommerfestivals wie Bayreuth, wo er von 1957 bis 1962 engagiert war, oder Salzburg, wo er Premieren wie den jüngst auf CD wiederveröffentlichten „Macbeth“ mit Dietrich Fischer-Dieskau betreute, zugunsten fester Verträge zurücksteckte. Ab dem Moment, da er in München die führende Position von Joseph Keilberth übernommen hatte, musste man in die bayerische Metropole fahren, um Opernaufführungen unter seiner Leitung zu hören.

Sawallisch war ein im besten Sinne treuer Künstler, einer, der die ihm gestellten Aufgaben so vollständig und so genau wie möglich zu erledigen trachtete. Diese Eigenschaft verlangte er auch von Regisseuren, weshalb München über lange Zeit von Theaterexperimenten verschont blieb, die sich allzu sehr von den Vorgaben des jeweiligen Librettos unterschieden.

Wie Oper aussehen kann, wenn sich kein kompetenter Generalmusikdirektor darum kümmert, haben die Münchner nach Sawallischs Weggang leidvoll erleben müssen. Die letzten Jahre Sawallischs waren überschattet von Krankheit, die ihn zur Aufgabe der kapellmeisterlichen Tätigkeit zwang. Am 22.Februar ist Wolfgang Sawallisch im 90.Lebensjahr in seinem Heim im bayerischen Grassau gestorben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.02.2013)

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