PRO: Markt funktioniert nicht überall

THEMENBILD: WASSER
THEMENBILD: WASSERAPA/HANS KLAUS TECHT
  • Drucken

Kommunale Dienstleister stärken Volksvermögen und sichern Jobs.

Als Unternehmerin bin ich eine begeisterte Anhängerin der freien Marktwirtschaft und des Wettbewerbs – in vielen Bereichen führt der Markt erwiesenermaßen zu besserer Qualität und Innovation. Als Ökonomin und Steuerzahlerin weiß ich aber auch, dass es Bereiche der Wirtschaft gibt, in denen Marktwirtschaft nicht funktioniert und auch nicht sinnvoll ist.

Das kann zum einen Gründe in den Eigenschaften der produzierten Güter haben: Sobald physische Netze (Schienen, Stromleitungen, Kanalnetze) gebaut werden müssen, wird es schwierig mit dem Wettbewerb. Es ist ja nicht sinnvoll, zwei Gasrohre nebeneinander zu legen. Auch bei anderen Großinvestitionen entsteht üblicherweise kein Wettbewerb: Nicht jeder kann auf der Wiese ein Kraftwerk errichten. Dafür braucht es viel Kapital, eine gewisse Sicherheit der Abnahmeverträge, Genehmigungen und Konzessionen. Und so ein Kraftwerk muss in ein Gesamtkonzept eingefügt werden: Welche Energie soll erzeugt werden, wie viel Energie braucht es, handelt es sich um den richtigen Standort?

Und das führt auch schon zum zweiten Grund, warum der Markt nicht die gewünschten Ergebnisse bringt: Zielvielfalt. Wenn es nicht nur Sinn und Zweck ist, dass ein Unternehmen profitabel ist (wie bei einem Bäcker oder einer Autofabrik), sondern wenn es auch darum geht, dass die erzeugten Produkte für alle leistbar sind, dass jedenfalls eine bestimmte Mindestqualität und Sicherheitsvorschriften eingehalten werden und dass alle Bürger versorgt werden, dann haben wir uns weit von ökonomischen Profitfunktionen entfernt und rein einzelbetriebswirtschaftliches Denken versagt. Hier braucht es staatliche Regelungen und staatliche Eingriffe. Das betrifft alle Güter der sogenannten Daseinsvorsorge bzw. kommunale Dienstleistungen: Energie, Wasser und Abwasser, Abfallwirtschaft, öffentlicher Verkehr.

Selbstverständlich kann man diese Bereiche auch privatwirtschaftlich betreiben und das wird ja auch in vielen Ländern so gemacht. Und die Eigentümer und Shareholder dieser Betriebe machen beträchtliche Gewinne. Die Versorgungssicherheit ist allerdings nicht garantiert: Der Stromversorger Vattenfall etwa lässt sich eine Versicherung gegen Netzausfälle teuer abkaufen. Es wird weiters nicht langfristig in die Infrastruktur investiert: So sind beispielsweise die Verluste aufgrund undichter Wasserleitungen bei privaten Wasserversorgern im Durchschnitt um die Hälfte höher als bei öffentlichen. Und auch die Preise sind bei privaten Versorgern höher. Beispiel öffentlicher Nahverkehr: Dieser muss immer subventioniert werden und zwar egal, ob öffentlich oder privat erbracht. Aber öffentliche Anbieter geben diese Subventionen eben in Form niedrigerer Preise an ihre Kunden und damit die Steuerzahler zurück.

Kommunale Dienstleister in öffentlicher Hand zu haben, ist erstens eine Stärkung des Volksvermögens. Durch ihren Betrieb schaffen sie Wertschöpfung und sichern Arbeitsplätze. Zweitens kann nur so garantiert werden, dass diese Betriebe ihren Auftrag von Versorgungssicherheit, Leistbarkeit und allgemeiner Zugänglichkeit langfristig erfüllen können, zum Wohl der Konsumenten und zum Wohl aller privatwirtschaftlich agierender Unternehmen, die ebenfalls von funktionierender, leistbarer Infrastruktur profitieren.

Agnes Streissler ist Unternehmerin und betreibt die „Wirtschaftspolitische Projektberatung“ in Wien. Zuvor leitete sie die wirtschaftspolitische Abteilung der Wiener Arbeiterkammer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2013)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Abgefallene Herbstblaetter in einem Bach
Österreich

KONTRA: Die Stadt Wien und ihr flüssiger Bankomat

Die Stadt Wien will Bürger vor privatem Eigentum schützen. Geht's noch?
Abgefallene Herbstblaetter in einem Bach
Österreich

KONTRA: Die Stadt Wien und ihr flüssiger Bankomat

Die Stadt Wien will Bürger vor privatem Eigentum schützen. Geht's noch?
Wasserhahn
Österreich

Wer soll künftig am Wasserhahn drehen?

Soll die Privatisierung von „unserem Wasser“ verboten werden? Die Unternehmerin Agnes Streissler sagt Ja. Der Leiter der Denkwerkstatt „Agenda Austria“, Franz Schellhorn, meint Nein.
SuperMarkt Verstaatlichen bald alle
New Articles

SuperMarkt: Verstaatlichen wir bald alle Bäckereien?

Österreichs Nationalräte üben sich seit vergangener Woche in einer völlig neuen Disziplin: Anlassgesetzgebung ohne konkreten Anlass. Die Regierung findet die Lösung zu einem Problem, das gar nicht existiert.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.